Mitte: ein „verschollener Ort“ – der „Jüdenhof“

Das spätmittelalterliche Berlin hat nur wenige Spuren hinterlassen. Im Stadtbild Berlins des 21. Jahrhunderts erinnert nur sehr wenig an die Händler- und Ackerbauernstadt des 13-15. Jahrhunderts. Warum das so ist, können wir u. a. am Beispiel des „Jüdenhofes“ sehen:

Der alt-Berliner „Große Jüdenhof“ geht auf die Ansiedlung jüdischer Berliner im 13. Jahrhundert zurück, so wollen es Chronisten wissen. Hier hätten sich locker gruppiert um eine Hoffläche, die ersten einfachen Bauten finden lassen. Nach den Judenpogromen und -vertreibungen des 16. Jahrhunderts (unter Kurfürst Joachim I. , das wäre einen eigenen Artikel wert, mal schauen 😉 ) gingen die Immobilien in die Hände von Handwerksfamilien über, die hier mehrgeschossige Fachwerk- und Steinbauten errichteten, in deren Erdgeschossen sie ihrem Gewerbe nachgehen konnten.

Jüdenhof 1939, nach der Restaurierung
Jüdenhof 1939, nach der Restaurierung

Insofern war der Jüdenhof einst auch ein „Gewerbehof“, der zwölf Grundstücke um einen Innhof und die später (frühes 18. Jahrhundert) gepflanzte, berühmte Akazie herum verband. Töpfer, Eisengiesser und Schmiede sollen hier ihr Gewerbe ausgeübt haben. Ob sie dabei „reich“ wurden, bleibt zu bezweifeln. Der Verschönerung ihrer Häuser tat das aber keinen Abbruch.

Ab dem späten 19. Jahrhundert aber wurde langsam „Stadtplanung“ in der nunmehrigen „Reichshauptstadt“ Berlin mit Abriss und Modernisierung gleichgesetzt. Der nahegelegene „Krögel“ geriet damit ebenso ins Fadenkreuz der Stadt-„Verschönerer“, wie der Jüdenhof. Beide galten als hässliche, schmuddelige „Relikte“, die der Repräsentation der Hauptstadt Berlin im Wege stünden. Bei massiven Eingriffen in die Struktur dieses Altstadtgebietes wurden dann 1935/36 der Krögel zu Gunsten der neuen „Münze“ beseitigt und der Jüdenhof mehrerer Grundstücke beraubt. Die Häuser mit der Adresse „Jüdenhof 1-4“ wurden 1938 abgerissen und auf dieser Fläche dann ein Teil des „neuen Stadthauses“ gebaut.

Berlin, spielende Kinder im "Jüdenhof" "Hier, dicht bei der Stadtmauer, war der Ort, wo im Mittelalter die Juden wohnten, abgeschlossen von den anderen, mit denen sie keine bürgerliche Gemeinschaft verband....1671 erließ der Grosse Kurfürst ein Schutzedikt für die Juden." In dem Hause mit der Akazie wohnte der Generalfiskal Wilhelm Duhram (+1735). Aufnahme 1930
Berlin, spielende Kinder im „Jüdenhof“
„Hier, dicht bei der Stadtmauer, war der Ort, wo im Mittelalter die Juden wohnten, abgeschlossen von den anderen, mit denen sie keine bürgerliche Gemeinschaft verband….1671 erließ der Grosse Kurfürst ein Schutzedikt für die Juden.“
In dem Hause mit der Akazie wohnte der Generalfiskal Wilhelm Duhram (+1735).
Aufnahme 1930

Allerdings wurden gleichzeitig auch andere Teile des Jüdenhofs restauriert bzw. historisierend wiederhergestellt (Jüdenhof 5, beliebtes Fotomotiv). Das gesamte Ensemble wurde durch Bomben während des Zweiten Weltkrieges in Schutt und Asche gelegt. Später wurde der Schutt abgetragen, die Fläche asphaltiert und zum Parkplatz delariert. Nur die vorbeigehende „Jüdenstraße“, die kaum mehr als eine Passage zwischen Gruner- und Stralauer Straße ist, erinnert an den „Großen Jüdenhof“.

Im Jahre 2011 ließ der Berliner Senat Grabungen durchführen, um zu sehen, was vom Jüdenhof noch übrig geblieben ist. Viel konnte dabei nicht mehr zutage gefördert werden. Auch das Vorhandensein der Fundamente einer Mikwe (jüdisches Ritualbad) im nördlichen Bereich des ehemaligen Jüdenhofes blieb bisher leider nur Spekulation. 2013 gab die Lokalpresse verschiedene Aussagen der verantwortlichen Archäologin Anja Grothe wider, die sogar Zweifel daran erweckten, dass der Jüdenhof seinen Namen zu Recht trug.

Aber die Grabungen sind vorbei, die Fläche wieder eingeebnet und so ist ein weiterer Ort der Berliner Frühgeschichte wohl für immer verloren. Wie etwa das „Hohe Haus“ der Markgrafen von Brandenburg oder das „Graue Kloster“ der Franziskaner. Immerhin sollen der Molkenmarkt und einige nahegelegene Grundstücke in Zukunft wieder bebaut werden und damit die historische Baudichte wiederhergestellt werden. Wir werden sehe, aber der „Jüdenhof“ wird wohl nie wiederkehren.

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