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Persönlichkeiten: der Anschieber – Alexander Dominicus

Aus der Serie „100 Jahre Gross-Berlin, 1920 – 2020“:

Wenn man an das Formieren von Groß-Berlin denkt, fällt vielleicht ein Name nicht mehr, weil man dessen Mitwirkung am „Groß-Berlin-Gesetz“ von 1920 schlicht und ergreifend vergessen hat. Alexander Dominicus, Bürgermeister von Schöneberg, war neben dem Berliner Oberbürgermeister Wermuth der glühendste und aktivste Befürworter der Strukturreform, die schließlich zu dem Berlin führte, wie wir es heute kennen. Widmen wir uns doch im 100sten Geburtsjahr von Groß-Berlin mal kurz diesem Politiker von einst:

Wenn man sich die Geschichte des „Groß-Berlin-Gesetzes“ von 1920 anschaut, fällt auf, dass einige der lautesten und aktivstes Befürworter des Projektes eigentlich gar keine Berliner waren. Zumindest keine gebürtigen, sondern eher Persönlichkeiten, die bewusst Berlin zu ihrer (Wahl-)Heimatstadt erklärt hatten. Was in gewisser Weise auch für die Attraktivität der Hauptstadtregion des alten Kaiserreiches spricht, wenn Männer und Frauen aus ganz Deutschland hier ihre Bildung erhielten, ihre Karrieren machten und ihre Familien gründeten. Hier auch Verantwortung übernahmen und blieben. Ja, der kleine Berliner Lokalpatriot spricht da aus mir, Sie mögen mir das verzeihen, liebe Leser.

Wie auch immer: Alexander Dominicus wurde 1873 im elsässischen Straßburg geboren. Dort, sowie in München und Berlin studierte er später Jura, was ja damals eine gute Voraussetzung für eine zukünftige Beamtenlaufbahn war. 1900 ging Dominicus in den Staatsdienst als Regierungsassessor im heimischen Elsaß-Lothringen. Später trat er der Stadtregierung Straßburgs bei.

Als Beigeordneter von Straßburg soll Dominicus richtungweisende Reformen der Arbeits- und Jugendfürsorge, der Stadtplanung und des Schulwesens veranlasst haben; so richtete er erstmals ein Arbeitsamt ein und regte die Gründung einer Arbeitslosenversicherung an. Das Straßburger Modell wurde später zum Vorbild der deutschen Reichsgesetze über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927.
(wikipedia)

Wir sehen also: Dominicus kennt sich mit kommunaler Verwaltung aus, als er 1911 Bürgermeister von Schöneberg wird. Bekanntermaßen der damals unabhängigen Stadt Schöneberg, wenn auch erst seit 1898. Erst 1899 schied Schöneberg dann auch aus dem Landkreis Teltow aus und bildete, analog etwa zu ähnlichen Entwicklungen in Spandau, dann einen eigenen „Stadtkreis“. Heutzutage würde man es wohl eine „kreisunabhängige Kommune“ o. ä. nennen.

Kein Freund von „Groß-Berlin“: Friedrich Wilhelm Georg Koeltze 1852-1939, Zeitgenosse von Dominicus, Januar 1917, mit Amtskette

Dominicus gerät dabei mitten in die Bewegung der Vereinheitlichung von Struktur und Verkehr der Reichshauptstadtregion. Im Jahre 1911 wurde der „Zweckverband Groß-Berlin“ gegründet, dessen Arbeit Dominicus anfangs begeistert unterstützte. Die Abstimmung von Verkehrsplanung, Baumaßnahmen und Infrastrukturverbesserungen zwischen den beteiligten Städten Berlin, Charlottenburg, Deutsch-Wilmersdorf, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg und Spandau (s. Foto: Spandaus Bürgermeister Koeltze) sowie den Landkreisen Niederbarnim und Teltow schien angesichts der rapiden Bevölkerungsexplosion der vergangenen Jahrzehnte nur logisch und sinnvoll zu sein.

Die verschiedenen Interessen der beteiligten Kommunen aber sorgten dafür, dass allzu hochfliegende Pläne, gar ein Vorantreiben des „Groß-Berlin“-Projekts, in weite Ferne rückten. Immerhin verdanken wir heute dem „Zweckverband“ die einheitliche Straßenbahn und das „Dauerwaldgesetz“, welches dafür sorgt, dass Berlin heute noch immer eine der grünsten Metropolen weltweit ist. Alexander Dominicus jedoch, überzeugter „Groß-Berlin“-Befürworter, wollte mehr. Wollte eine einheitliche Stadtregion und ließ in seiner Stadt massiv dafür „trommeln“. So gründete er 1917 den „Bürgerausschuss Groß-Berlin“, die öffentliche Werbeplattform für das Projekt in Schöneberg.

Schon kurz nach seinem Amtsantritt in Schöneberg 1911 übrigens, konnte er den Grundstein für das auch heute noch existierende und später als Sitz des Regierenden Bürgermeisters von Berlin (West) bekanntgewordenen Rathauses Schöneberg (s. Foto) legen.
Im Ersten Weltkrieg wurde Dominicus, der Reservehauptmann war, aktiviert. Er kam an die Westfront, wurde dort aber schon kurz nach der Ankunft verwundet. Eine Stadt zu regieren ist halt etwas anderes, als ein Soldat zu sein.

Nach dem Krieg trat Dominicus, überzeugter Liberaler, der DDP bei, zu deren Mitgliedern u. a. auch Theodor Heuß gehörte. Das Projekt Groß-Berlin kam zu dieser Zeit wieder auf den politischen „Tisch“ zurück. In der preußischen Landesversammlung wurde am 27. April 1920 endgültig über das „Groß-Berlin-Gesetz“ abgestimmt. In dritter Lesung zwar, da es noch immer Widerstände zu überwinden gab und es in zwei vorangegangenen Lesungen keine Mehrheit für das Gesetz gab. Letztlich fand sich aber eine klare, wenn auch nicht wirklich überragende Mehrheit von 164 zu 148 Stimmen dafür. Am 01. Oktober 1920 trat das Gesetz in Kraft und schlagartig entstand damit die damals flächenmäßig zweitgrößte Stadt der Welt (nach Los Angeles) und die drittgrößte Stadt nach Einwohnerzahlen (nach New York und London).

Auguste-Viktoria Krankenhaus Schöneberg,
© A.Savin, WikiCommons

Und Dominicus´ Schöneberg brachte dabei so einiges mit ein. Ein Krankenhaus (das 1906 fertiggestellte Auguste-Viktoria-Krankenhaus) und eine eigene U-Bahn-Linie (die heutige Linie U4) z. Bsp. Alexander Dominicus selbst begann in der Folge eine politische Laufbahn. War kurzfristig preußischer Innenminister (1921/22) und bis 1924 gehörte er dem preußischen Landtag als Abgeordneter seiner Partei an. In diesem Jahr beendete er seine parlamentarische Laufbahn und zog sich auf andere Tätigkeiten zurück.

So engagierte er sich weiterhin in der „Deutschen Turnerschaft“ einem Sportverband, dessen Vorsitz er 1919 nur knapp verpasst hatte, als er in einer Stichwahl seinem Gegenkandidaten Berger unterlag. Von 1929 – 33 saß er diesem Verband dann doch noch vor, als sein Gegenkandidat von 1919 nicht mehr antrat. Dominicus war von 1927 – 33 auch Vorsitzender des „Deutschen Luftfahrt Verbandes“, der seine Aufgaben im Bereich von Segelsport und aerodynamischer Forschung sah. Die Nazis drängten ihn dann aus dieser Tätigkeit, als sich nach der Machtergreifung Hermann Göring für alles Fliegerische zuständig erklärte und nur Männer mit NS-Stallgeruch dabeihaben wollte. Der Patriot und Liberale Dominicus war den Nazis nicht „linientreu“ genug, so dass er auch den Vorsitz der Deutschen Turnerschaft abgeben musste. Gleichschaltung halt. (sic!)

Dominicus zog dann 1933 aus Berlin fort nach Freiburg im Breisgau. Er zog sich weitgehend ins Privatleben zurück, schrieb ein Buch und unternahm Reisen. Von 1939 – 41 übernahm er noch einmal die Leitung des flugtechnischen Instituts im Baden-Württembergischen Rust. Er verstarb schließlich am 18. Oktober 1945 in Freiburg, wurde aber auf dem Schöneberger Friedhof Stubenrauchstraße in Berlin beigesetzt. Seine Grabstätte ist jedoch unverständlicherweise bis heute KEIN Ehrengrab der Stadt, die er formieren half ! (Es gibt Quellen, die wollen sein Grab in Freiburg verorten…Hm…bis ich den Friedhof Stubenrauchstraße in Berlin mal selbst besucht haben werde und die Grabstätte selber sehe, sage ich nichts weiter dazu !)

In Berlin-Schöneberg ist übrigens die Straße, die vom Bahnhof zum Rathaus führt, nach Dominicus benannt: „Dominicusstraße“.

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