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Persönlichkeiten: der „vergessene“ General – Bülow von Dennewitz

Zwischen dem Opernpalais und der Staatsoper Unter den Linden in Berlin finden wir fünf Statuen von Generalen der Befreiungskriege. Ganz „alter Tobak“, alles ganz lange her. Frühere Generationen hielten es aber für angebracht, diese Kommandeure durch Standbilder zu ehren. Einen jener Generäle hätte man hier vielleicht nicht erwartet, weil er in den Geschichtsbüchern, so sie sich überhaupt noch detailliert mit dem Abschütteln der Napoleonischen Herrschaft im frühen 19. Jahrhundert befassen, eher eine Randnotiz darzustellen scheint. Friedrich-Wilhelm, Graf Bülow von Dennewitz. Im Vergleich zu den anderen Namen, die hier „verewigt“ wurden (Gneisenau, Yorck, Blücher, Scharnhorst), schien mir persönlich dieser hier immer etwas mehr Achselzucken auszulösen. Nach meiner internen Logik müssen wir uns DEN also mal genau anschauen. 🙂 Immerhin hieß es von Zeitgenossen, dass er als Kommandeur niemals ins Gefecht gezogen sei und verloren habe. Militärhistoriker mögen das vielleicht anders sehen…

Alleine die Position der zwei Marmorstatuen des Bülow und des Scharnhorst aus der Werkstatt Christian Daniel Rauchs ist bereits ein Politikum für sich. Über 100 Jahre lang befanden diese Standbilder sich nämlich auf der „anderen Straßenseite“, ziemlich genau gegenüber. Sie flankierten die „Neue Wache“ seit ihrer Aufstellung 1822. 1951 wurden sie unter Walter Ulbrichts Ägide abgeräumt und seit die Neue Wache den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet ist, will man diese zwei Militärs, selbst den in allen deutschen Staats- und Regierungsformen geehrten Scharnhorst, hier gar nicht mehr haben. So kanns gehen. Und damit ging eben auch Rauchs Bülow bei der Neuaufstellung 2002 „über die Straße“. Inzwischen ist er nur noch eine Kopie, da die Auswirkungen der Autoabgase dieser Hauptstraße den Marmor des Originals schwer beschädigt haben. Immerhin ist Rauchs großartige Bildhauerkunst noch immer deutlich sichtbar.

„Befreiungskriege“. Welcher Heranwachsende könnte damit noch etwas anfangen ? Was lernt man heute in den Schulen noch darüber, wenn überhaupt ? Ich wage manchmal gar nicht mehr, mir diese Fragen zu stellen. Die Antworten könnten mich wahrscheinlich verunsichern. Also, hinein ins Leben dieses Generals:

Bülow hat schon eine interessante Vorgeschichte, denn seine Mutter war keine geborene „von“, wie es im Land- und Hochadel (konnte sich überschneiden) seiner Zeit durchaus noch üblich war, sondern eine „Sophie Schultz“, Kantorentochter. Die verfrühte Auswirkung der preußischen Aufklärung ? Schwer zu sagen. Aber ein „reiner“ Blaublüter war unser Friedrich-Wilhelm, geboren 1755 in Falkenberg (heute Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt), eben nicht.

Seine Militärkarriere verlief eher „normal“ für seine Zeit, ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf jene frühen Jahre eingehen, weil dann dieser Beitrag noch viel länger ausfiele, als geplant. Immerhin sah Bülow schon als junger Leutnant Gefechte, bekam früh bereits „Fronterfahrung“ und konnte sich auch als Hauptmann bereits im Gefecht auszeichnen. Es war die Zeit der Kämpfe gegen das revolutionäre Frankreich. So weit, so gut. Was aber brachte ihm später die Ehrung in Form einer Statue ein ? Vielleicht diese, in den Anekdotenschatz der Berliner des 19. Jahrhunderts eingegangene Phrase: Bülow sei der „dreifache Retter“ Berlins gegen französische Vorstöße auf die preußische Hauptstadt gewesen.

Denn in den Befreiungskriegen, die in ganz Europa, aber speziell in Deutschland gegen die Hegemonie Napoleons geführt wurden, war auch nicht alles Gold, was hinterher glänzte. Aber schon Zeitgenossen nannten Bülow auch den „Glücklichen“, was uns heute möglicherweise nicht mehr viel vermitteln kann. War es das „Glück des Tüchtigen“, welches Bülow hatte ? Die Nachwelt sah das immerhin so. Die Gefechte von Luckau, Großbeeren und Dennewitz aus dem Jahre 1813, bei denen Bülow als Generalleutnant ein eigenes Armeekorps befehligte, werden ihm so als „Rettungstaten“ für Berlin angerechnet, denn nach der letzten Niederlage des Marschalls Ney gegen Bülow bei Dennewitz musste Napoleon den Traum von der Eroberung Berlins endgültig aufgeben.

Auch bei der „Völkerschlacht bei Leipzig“ war Bülow mit seinem Korps mittendrin. Es heißt, seine Truppen seien sogar als erste am Ort der Schlacht erschienen. Die Schlacht von Ligny immerhin verpassen seine Soldaten zwei Jahre später. Angeblich, weil Bülow sie nach heftigen Gewaltmärschen „zu lange“ ausruhen ließ. Das sagt aber auch etwas über Bülow als Kommandeur aus. Bei Belle-Alliance/Waterloo 1815 jedoch ist er im entscheidenden Moment zur Stelle, was den Britischen Oberbefehlshaber Wellington später zu der Aussage animieren wird, das Eingreifen von Bülows Truppen sei „durchaus entscheidend“ gewesen. Wer Britisches understatement, vor allem beim Würdigen der Leistungen von Nichtbriten, kennt… A propos, „Würdigungen“: Bülow erhält zahlreiche Orden. Aus den Niederlanden, Österreich und natürlich aus Preußen selbst. Darunter das Großkreuz des Eisernen Kreuzes und den Roten Adlerorden. Aus Österreich den „Maria-Theresien-Orden“, die höchste Militärauszeichnung dieser Zeit. Der König der Niederlande verlieh ihm am 28. Juli 1815 das Großkreuz des Militär-Wilhelms-Ordens. Posthum bekommt er später sogar eine Auszeichnung des royalen Frankreichs. 1814 bereits erhebt ihn der preußische König Friedrich-Wilhelm III. in den Grafenstand als „Graf Bülow von Dennewitz“.

Blücher

Interessant ist es, dass Bülow auch unter zwei anderen, der fünf „Statuen“ des „Prinzessinnengartens“ gedient hat und mit diesen durchaus aneinandergeriet. Gemeint sind natürlich Blücher und Yorck. Denn sowohl ein ungeduldiger, wie ein hochfahrende Zug werden Bülows Charakter nachgesagt. Z. Bsp. ist es ihm unangenehm, einem vier Jahre jüngeren, unehelich geborenen „beinahe Bürgerlichen“ Kaschuben wie Yorck unterstellt zu werden, wo er selbst doch uraltem, mecklenburgischem Adel entstammt. Seine Kantorentochter-Mutter hat er dabei wohl großzügig übersehen. Immerhin folgt er dem Großvater mütterlicherseits insofern nach, dass auch er versucht, wann immer der Militärdienst etwas Zeit lässt, ein wenig Kirchenmusik zu komponieren. Ein komplizierter Charakter wohl, der Bülow. Wenn dieser dann auf andere „Querköpfe“ wie etwa den Misanthropen Yorck oder den schrecklich primitiven, wenn auch sehr lebensfrohen Blücher stößt, waren Zusammenstöße vorprogrammiert. Und erst einen Zauderer, wie den schwedischen Oberbefehlshaber, Kronprinz Bernadotte, der „seinen“ Franzosen kaum ein Haar krümmen wollte, den ertrug er praktisch gar nicht. Kein Wunder also, dass Bülow z. Bsp. die Schlacht von Großbeeren ohne Bernadottes Befehl schlägt (und gewinnt, wie schon erwähnt). Immerhin war Bülow AUCH dafür bekannt, dass er, wenn seine Truppen in Frankreich standen, auf äußerste Disziplin achtete. Plünderungen und sonstige Gewalt gegen die Bevölkerung ließ er ganz nüchtern mit Erschießen bestrafen. Denn sein erklärter Feind war Napoleon, nicht die Franzosen selbst.

Ende 1815 wird Bülow dann nach Ostpreußen geschickt, auf einen potentiellen „Ruheposten“, an dem er aber nicht allzulange seine Freude hat, denn er stirbt bereits am 25. Februar 1816 in Königsberg. Angeblich an einer Lungenentzündung.

Die Nachwelt vergaß ihn immerhin nicht. Neben der Statue an prominenter Stelle der Hauptstadt bekam Bülow u. a. auch ein paar Zeilen in Theodor Fontanes „Wanderungen“ spendiert. Ebenso wie den Namen einer Berliner Straße, die dem heutigen U-Bahnhof „Bülowstraße“ noch immer den Namen gibt. Wer hier immer dachte, diese Straße plus U-Bahnhof seien Loriot (Vicco von Bülow) gewidmet, liegt damit leider falsch.

Dies ist ein Beitrag aus meiner Reihe „die fünf Statuen des Prinzessinnengartens“.

Quellen:

Bilder:

  • von mir, 2019,
  • gemeinfrei

Text: