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Persönlichkeiten: Otto Lilienthal – der Segelflieger

Ein Traum, so alt wie die Menschheit selbst: Fliegen. Ob wohl der Höhlenmensch schon neidisch den Vögeln hinterherschaute ? Karl Wilhelm Otto Lilienthal träumte diesen Traum im 19. Jahrhundert auch. Und er machte sich tatkräftig daran, ihn zu verwirklichen. Spätere Flugpioniere verdanken seiner Arbeit viel, er brachte den Bereich des Tragflächenbaus, die Aerodynamik des „schwerer-als-Luft-Fliegens“ entscheidend weiter. Ein Pionier, der mit seinem Leben für den Traum bezahlte. Unvergessen bis heute. 

Der Name „Otto Lilienthal“ lässt in unserer Region Berlin-Brandenburg bis heute noch Glöckchen klingeln im Gedächtnis. Zwar werden sie deutlich leiser, aber der Name dieses Flugpioniers ist bislang fest verankert. In den Namen von Straßen, Schulen und dem Flughafen Tegel, dessen Nachfolger jedoch diesem Träumer die Ehre des Namens verweigern wird. Eine andere Geschichte…

Wie viele bekannte „Berliner“ stammte Lilienthal gar nicht aus der Region sondern wurde 1848 im mecklenburgischen Anklam geboren. Als ältester Sohn des Kaufmanns Gustav Lilienthal. Als Otto zwölf Jahre alt ist, beschließt die Familie, aus wirtschaftlichen Gründen in die USA auszuwandern. Man stelle sich das mal vor: Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright im selben Land ! Aber soweit kam es nicht, der überraschende Tod des Vaters verhindert die Auswanderung. Otto blieb uns also erhalten. Ebenso wie sein ein Jahr jüngerer Bruder, Gustav jr. , mit dem er später vieles gemeinsam unternahm.

Nach dem Schulabschluss ging es für Otto nach Potsdam in die Gewerbeschule. Später zur Gewerbeakademie nach Berlin, aus der dann die Technische Hochschule Charlottenburg werden wird, wiederum ein Vorgänger der heutigen TU-Berlin. Nachdem er dort seine Ausbildung im Maschinenbau abschließt, geht Lilienthal als „Einjähriger“ zum Militär. Welches damals im Krieg mit Frankreich steht, an dem er teilnimmt und seinem Bruder Gustav schriftlich über die Beobachtung von Heißluftballons berichtet.

Soweit, so unspektakulär. Wenn man jedoch weiß, dass Otto und Gustav Lilienthal weiter Studien über die Luftströmung anstellten und zeitgenössische Fachvorträge über den „Flügelschlag“ verfolgten, kann man diese Zeit als Vorbereitung der eigenen, praktischen Versuche späterer Jahre ansehen.

Zunächst einmal waren die Lilienthals aber als Erfinder tätig. U. a. entwarfen sie das „Anker-Steinbaukasten“-Spielzeug, dessen Idee sie verkauften. Ebenso wie verschiedene, andere Entwürfe. Erst mit einem sog. „Schlangenrohrkessel“, den sie mit einem Wandmotor kombinierten, konnten sie sich schließlich wirtschaftlich „freischwimmen“ und ihr eigenes Unternehmen aufbauen. Die „Dampfkessel- und Maschinenfabrik Otto Lilienthal“.

Otto Lilienthal veröffentlichte 1889 die Ergebnisse seiner bisherigen Studien im Aufsatz: „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Dieser fand in seiner Heimat praktisch keinerlei Anklang, da man in Deutschland weiter auf Ballons und Starrluftschiffe setzte. International wurde er jedoch wahrgenommen und reflektiert. Immerhin sah Lilienthal nun die Zeit als gekommen an, von der reinen Theorie zur Praxis überzugehen und so neue Daten zu gewinnen.

Lilienthal-Gedänkstätte Berlin-Lichterfelde

Ab 1991 stellte er dann mit seinen Flug-Gleitern Versuche an verschiedenen Orten und aus verschiedenen Höhen an. 1894 ließ er dazu sogar in Lichterfelde einen „Fliegeberg“ genannten, 15 m hohen Hügel aufschütten, der kleine Gleitflüge bis zu 80 m Weite ermöglichte. 1932 wurde daraus die „Lilienthal Gedenkstätte“ gemacht, die noch heute besteht und besucht werden kann.

Lilienthals Stärke war es, seine Ergebnisse, seine Tabellen mit Daten und seine Konstruktionsdaten für Flug-Gerät auch zu publizieren. So erlangte er sogar internationale Anerkennung, wenn ihn russische, französische und amerikanische Flug-Enthusiasten besuchten und mit ihm fachsimpelten. Später wird ihm etwa einer der Wright-Brüder große Anerkennung zollen. Wie wir wissen etwas, das Amerikaner nur selten für Nichtamerikaner tun. Sie behaupten ja auch bis heute steif und fest, dass etwa Henry Ford das Automobil erfunden hätte….

Ab 1893 ging übrigens auch eine der Konstruktionen Lilienthals in Serienproduktion, womit er den ersten „kommerziellen“ Segel-Flugapparat der Welt gebaut haben dürfte.  Am sog. „Gollenberg“ bei Stölln, unternimmt Lilienthal weitere Tests, die er ebenso akribisch dokumentiert, wie alle seine Unternehmungen. Am 09. August 1896 ist er weiter dabei, Flugversuche zu machen und Daten zu sammeln. Zwei Flüge gehen gut, bevor er einen dritten Versuch unternimmt und eine unvorhergesehene Windbö seinen Gleiter erfasst. Der Auftrieb geht verloren, Lilienthal stürzt fast senkrecht zu Boden. Dabei wird sein Rückgrat auf der Höhe des dritten Halswirbels durchtrennt.

Im Zug wird sein Körper noch nach Berlin ins Krankenhaus überführt, aber eine schleichende Hirnblutung macht seinem Leben am 10. August 1896 ein Ende. Der Träumer hat mit dem Leben für die Umsetzung seiner Ideen gezahlt. Otto Lilienthal ist auf dem „Friedhof Lankwitz“ in Berlin beigesetzt. Seine Grabstätte ist heute ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Die dokumentierten „famous last words“ hingegen: „Opfer müssen gebracht werden.“ sind vermutlich aber nicht authentisch, sondern wurden ihm später beigelegt.

Zur Nachwirkung Lilienthals, vor allem seiner Forschung zur Form von Tragflächen und seiner diesbezüglichen Daten sei hier Wilbur Wright zitiert, dem folgende Sätze zugeschrieben werden:

Von allen, die das Problem des Fliegens im 19. Jahrhundert behandelten, war Otto Lilienthal zweifelsfrei der Bedeutendste. […] Niemand tat so viel dafür, das Problem des menschlichen Fluges in die freie Luft zu überführen, wohin es gehört. […] Als Forscher war er unter seinen Zeitgenossen ohne Konkurrenten. Er entschlüsselte die Vorteile der gewölbten Fläche so überzeugend, dass er als ihr eigentlicher Entdecker gelten kann. Andere haben die Wölbung des Vogelflügels bemerkt und über die Möglichkeit spekuliert, dass ein gewölbter Flügel einem völlig glatten überlegen sei. Lilienthal demonstrierte den Grund für diese Überlegenheit und machte aus der puren Spekulation akzeptiertes Wissen. …die Welt steht tief in seiner Schuld.

Es gibt heute diverse Museen, Gedenkstätten und Erinnerungsorte für Otto Lilienthal, wobei immerhin das Museum in seiner Geburtsstadt Anklam lange beklagte, dass diesem Pionier der Luftfahrt, anders als es andere Länder mit ihren Bahnbrechern tun, bis heute hierzulande zu wenig Ehre und öffentliche Anerkennung zuteil würde. Wer etwa weiß, welchen Stellenwert die von mir bis zum Anschlag als Maßstab herbeigezogenen Wright-Brüder in der Bildung, der Gedenkkultur und dem Selbstwertgefühl der USA haben, möchte vielleicht Lilienthal ähnlich geehrt sehen.

Ich weiß nicht, ob diese Kritik so wirklich faktisch ist. Immerhin gibt es so einige Orte, an denen man Leben und Wirken Otto Lilienthals nachspüren kann. Briefmarken wurden ihm gewidmet, Straßen und Schulen nach ihm benannt. Doku-Filme über ihn gedreht, seine Flugapparate nachgebaut und in vielen, deutschen Museen ausgestellt. Dass sein Name nach der Schließung des Flughafens Tegel in Berlin nicht mehr auf einem der „Tore zur Welt“ in der Region stehen wird, mag traurig sein, aber Otto Lilienthal scheint trotz allem unvergessen zu sein. Das ist gut so.

Das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam:

http://www.lilienthal-museum.de/olma/home.htm

Das Otto-Lilienthal-Centrum in Stölln:

https://www.otto-lilienthal.de

Quellen:

Fotos:

  • gemeinfrei,
  • von mir, 2019

Text:

  • wikipedia,
  • genannte Museen, historische Orte (s. o. verlinkte Seiten),