100 Jahre Groß-Berlin: Köpenick – das Stiefkind

Aus der Reihe „100 Jahre Groß-Berlin, 1920 – 2020“. 

Wem fiele beim Namen „Cöpenick“ nicht sofort der „Hauptmann“ ein, der keiner war ? Die Kleinstadt am Zusammenfluss von Dahme und Spree wurde 1906 durch diese Episode überregional bekannt. Wie sah es aber sonst in Köpenick aus, als diese Kommune 1920 mit einigen Vorort-Gemeinden zum 16. Stadtbezirk Berlins fusionierte ? Hatte Cöpenick (ab 1931: „Köpenick“) von der Industrialisierung und dem gewaltigen Bevölkerungswachstum der Region ebenso profitiert wie andere Städte und Gemeinden ? Schauen wir mal nach:

Wilhelm Voigt

Das sog. „Köpenicker Siedlungsgebiet“ zählt für Lokalhistoriker Berlins zu den ältesten Zentren mittelalterlichen Bewohnens Berliner Erde. Es wird hier gerne auch damit geworben, wie weit man etwa die urkundlichen Erwähnungen „Cöpenicks“ zurückverfolgen kann. Neben Spandau kann sich Köpenick also zu den wenigen „wir-sind-älter-als-Berlin“-Kommunen zählen, die 1920 von Berlin vereinnahmt wurden. Bis dahin war es ein weiter Weg. Vom 10. Februar 1209, der schon angerissenen, ersten, urkundlichen Erwähnung Köpenicks über die Verleihung des („Spandauer-„, ja da sind die Köpenicker bis heute nicht so recht stolz darauf) Stadtrechtes 1232 bis zum 01. Oktober 1920, dem Tag, als man zum 16. Stadtbezirk Berlins wurde, ist viel Wasser die Spree (und die Dahme) herabgeflossen.

Insofern kann ich auch hier wieder nicht die gesamte Stadtgeschichte erzählen. Wer da mehr Hintergrund braucht, kann ins Museum Köpenick in der Altstadt gehen und sich dort informieren. Dort weiß man Bescheid. Mein Beitrag hier muss sich aber in der Länge ein wenig beschränken und so stellt sich, wie bei den anderen, von mir bereits skizzierten Städten, die Frage, was Cöpenick 1920 zu Berlin beizutragen hatte.

  • Cöpenick war seit der Reichsgründung zur „Waschküche Berlins“ geworden. Die Fa. Spindler aus der Reichshauptstadt kaufte 1871 der brandenburgischen Provinzialregierung ein Grundstück in unmittelbarer Nähe zur Köpenicker Altstadt ab, am „linken Ufer der Oberspree“ nördlich der „Köllnischen Vorstadt“. Und ließ dort ab etwa 1873 kräftig waschen, bleichen, färben, bügeln… Als im selben Jahr dieses ca. 50 ha große Gelände endgültig nach Köpenick eingemeindet wurde, hatte sich bereits der Name „Spindlersfeld“ etabliert, den Köpenick aber partout nicht akzeptieren wollte. Wie es ausging, wissen wir: der Name Spindlersfeld blieb. Die Fa. Spindler baute ebenso Wohnungen für ihre Arbeiter. 1891 erhielt das Spindlersfeld sogar einen Bahnanschluss.
  • Das Rathaus Cöpenick. Ein typischer Bau aus rotem Backstein, der im Jahre 1905 eingeweiht wurde. Spätere Erweiterungen erfolgten dann schon in der „Berliner“ Zeit. Hier trieb denn auch der schon erwähnte „Hauptmann“ im Jahre 1906 sein Unwesen, was heute übrigens durch eine kleine Dauerausstellung im Gebäude dokumentiert wird, die ich persönlich jedem Besucher empfehle. Auch die 1996 hier aufgestellte Statue Wilhelm Voigts aus der Werkstatt des armenischen Bildhauer Spartak Babajan vor dem Haupteingang des Gebäudes macht eindeutig klar, WER hier gefeiert wird.
  • Cöpenick brachte auch zwei höhere Schulen ein. Das 1911 eröffnete „Realgymnasium“ für Jungs und das 1915 „beförderte“ Dorotheen-Lyzeum für Mädchen.
  • Der neuformierte Bezirk Cöpenick (wie erwähnt, ab 1931 dann mit K) brachte 1920 dann auch das kleinste Dörfchen in die Hauptstadt „Groß-Berlin“ ein. Ein zufälliger Superlativ, sozusagen. Mit „Müggelheim“ kam ein Dorf mit weniger als 200 Einwohnern zu Berlin! Kein anderer Bezirk hatte da weniger zu bieten. 🙂
  • 1920 brachte Köpenick außer Müggelheim noch 7 weitere Orte und Gutsbezirke mit in den neuen, 16. Stadtbezirk Berlins ein. Das waren: Friedrichshagen, Rahnsdorf, Schmöckwitz, Bohnsdorf, Grünau und die Gutsbezirke „Köpenick-Forst“ sowie „Grünau-Dahmer Forst“. Bohnsdorf wurde dann 1938 gegen Oberschöneweide und Wuhlheide mit Treptow ausgetauscht, aber das wird eine ganz andere Geschichte. Jetzt sind sie ohnehin (seit 2001) alle „wieder vereint“ im Bezirk Treptow-Köpenick.
  • Das 1914 eröffnete Krankenhaus Cöpenick war jedoch 1920 noch nicht im Paket des neuen Stadtbezirkes mit dabei. Es wurde weiterhin vom Landkreis Teltow aus betrieben und zwar noch fast vier weitere Jahre lang bis 1924. Erst dann hatte der 250 Betten-Betrieb auch verwaltungstechnisch seine Heimat im 16. Berliner Bezirk gefunden.
  • Das Schloss Köpenick. Interessanterweise eine „unvollendete“ Anlage, die, wie so viele Dinge in Brandenburg-Preußen, eigentlich deutlich eindrucksvoller, größer geplant war. Der Kurprinz Friedrich, Sohn des „Großen Kurfürsten“ hatte es einst im späten 17. Jahrhundert für sich errichten lassen. Inklusive der noch heute genutzten Schlosskapelle. Er brauchte nämlich etwas räumliche Distanz zum Hofe in Berlin (bzw. Potsdam, wohin es seinen Vater ab 1660 auch öfter verschlug), da er sich des Gefühls nicht erwehren konnte, seine Stiefmutter habe es auf sein Leben abgesehen, um ihre eigenen Kinder in Amt und Würden erheben zu können. Eine gängige Legende, der viele Lokalhistoriker mittlerweile leidenschaftlich widersprechen, während andere sie weiterhin kolportieren. Friedrich immerhin überlebte den Vater hier in Cöpenick, aber als er dann 1688 die Geschäfte in Brandenburg übernahm, fing er an, seine alte Residenz zu vergessen. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ und damit war an die Fertigstellung des an sich als „Dreiflügelanlage“ geplanten Cöpenicker Schlosses nicht mehr zu denken. Heute ist hier ein Teil der Sammlungen der Berliner Kunstgewerbemuseums untergebracht. Ein schöner Ort nicht nur dafür.
Altes Bezirkswappen am Rathaus.

Bei den Beratungen des „Zweckverbandes“ für Groß-Berlin, die ab 1912 stattfanden, hatte Cöpenick jedoch den Kürzeren gezogen. Als eine der wenigen Städte, die von den möglichen Maßnahmen dieser Vereinigung betroffen sein könnten, besaß es keine direkte Stimme auf deren Versammlungen. Man hatte schlicht und ergreifend zu wenige Einwohner. Da die später dazukommenden Gemeinden noch nicht mitgezählt werden konnten, war die erforderliche Einwohnerzahl von 50.000, die notwendig war, um einen eigenen Vertreter zum „Zweckverband“ zu entsenden, noch nicht erreicht. Cöpenick alleine lag damals bei etwa 32.000 Einwohnern. So musste der Landkreis Teltow also auch für Cöpenick mitentscheiden. Von daher spreche ich von Cöpenick als „Stiefkind“ der Einigungsprozesse Groß-Berlins. Während etwa Charlottenburg oder Lichtenberg immerhin selbständig auftreten konnten, war Cöpenick dazu nicht in der Lage. Erst unter Hinzuziehung der o. g. Orte und Gutsbezirke hatte man dann 1920 knapp 57.000 Einwohner.

Was Köpenick aber in jedem Falle bei seiner Formierung als Stadtbezirk mitbrachte, war LANDSCHAFT. Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert besuchten vor allem die Berliner die Müggelberge und die Köpenicker Forsten. Auch Grünau entwickelte sich zur „Promenade der Kaffee-Gärten“, wo Familien am Wochenende etwas frische Luft am Dahmeufer tanken konnten. Seit 1866 gab es Ausflugs-Schiff-Verbindungen zum Müggelsee, ab 1888 dann eine Linie der „Stern“-Reederei aus Berlin. Die Errichtung des Müggelturmes 1890 gab diesem Bedürfnis nach „Sommerfrische“ im Grünen dann Ausdruck.

Zwar bezeichnete man sich in Köpenick gerne als „Zentrale des Ostens“, aber mit der dynamischen Entwicklung eines Lichtenbergs, Schönebergs oder Charlottenburgs ab 1871 konnte man nicht ganz mithalten. Daher meine Einschätzung als „Stiefkind“, das aber ganz eigene Features mitbrachte.
So zog man also mehr oder minder gutwillig mit der Groß-Berlin-Sache mit. Machte sich in Cöpenick, so die Quellen Recht haben, weder allzugroße Hoffnungen auf den neuen Stadtbezirk noch hatte man allzugroße Bedenken dagegen, zu Berlinern zu werden, als es 1920 dann losging. Von einigen Querelen begleitet, dauerte es jedoch noch etwa 3 Jahre, bis dann ein funktionsfähiges „Bezirksamt“, wie man es sehr viel später genannt hätte, seine Arbeit aufnehmen konnte. Wahlen mussten zuerst annuliert, dann neue abgehalten werden etc.

Köpenick besticht noch heute durch seine Landschaft, seine Forsten, den Müggelsee, das „Berliner Binnenmeer“, den falschen Hauptmann und den 1. FC Union Berlin, dessen Heimspieltage einem Besucher hier durch die Anwesenheit von rot-weiß gekleideten Fans allüberall deutlich werden. Besucher kommen oftmals mit den Fahrgastschiffen, die auf Spree und Dahme unterwegs sind, hierher, um einen kleinen Stadtrundgang zu machen. Treptow – Köpenick hat aber heute zumindest auch einen positiven Superlativ im Programm: es ist mit Abstand der flächenmäßig größte Berliner Bezirk. Und einer der Grünsten sowieso.

Quellen:

Bilder:

  • von mir, 2015

Text:

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