Denkmäler hat man ihm errichtet. Seinen Namen damit bis heute „konserviert“. Gerhard Johann David von Scharnhorst. Militärreformer Preußens, Soldat, „influencer“ der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich. Ein Mann mit gewaltiger Nachwirkung und ungebrochener, militärischer Traditionslinie. Außerdem steht sein Denkmal „Unter den Linden“ in Berlin. Noch ein Grund mehr, ihm mal auf den Zahn zu fühlen !
Ungebrochene Anerkennung und militärische Tradition
Das Interessante an der historischen Figur des Gerhard Johann David von Scharnhorst ist, dass er seit seinem Ableben von allen nachfolgenden, deutschen Staaten geehrt oder zumindest respektiert und in die positive Traditionslinie des Militärs eingereiht wurde. Preußen baute ihm Denkmäler (Bayern widmete ihm ebenfalls eine Büste in der „Walhalla“ bei Regensburg), das Kaiserreich benannte einen Panzerkreuzer der kaiserlichen Marine nach ihm (Interessant: das Wrack wurde erst 2019 vor den Falklandinseln entdeckt…lange Geschichte…). Die Weimarer Republik kratzte nicht einmal an dem Podest, auf dem er stand und die Nazis hatten wieder einen Schlachtkreuzer der Marine parat, der seinen Namen bekam. Eines der vier schwersten Marineschiffe überhaupt.
Die DDR-Volksarmee berief sich auf sein publizistisches Werk und in der DDR erschien auch ein populärer, historischer Roman über ihn (unter dem Autoren-Pseudonym „Hans Pfeiffer“ übrigens…Feuerzangenbowle ließ grüßen). Auch packte man Scharnhorst auf Briefmarken und widmete ihm einen Orden im SED-Staat.
Die Gründung der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland wurde ebenfalls im Jahre 1955 bewusst auf den 12. November gelegt, den 200. Geburtstag Scharnhorsts. Also auch hier der Griff in die Traditionskiste. ICH zumindest finde alle diese Dinge beeindruckend. Man kann also sagen, dass preußische Traditionalisten, Deutschnationale und Monarchisten, Sozialisten, Faschisten und Demokraten ihn gleichermaßen klasse fanden und finden. Eigentlich suspekt, wenn ich ehrlich bin….
der Offizier, Schriftsteller, Freimaurer und Lehrer
Und, wie bei vielen „bedeutenden Preußen“ lag seine Wiege weder in Brandenburg/Havel noch Königsberg. Sondern stattdessen in Bordenau bei Hannover, wo er 1755 geboren wurde. Als Sohn eines Soldaten und Landverwalters. Kein Adel übrigens in Sicht. Den „von“ gaben ihm erst die Preußen im Jahre 1802 (wikipedia sagt 1804, aber die haben auch nicht immer Recht). Zuvor aber arbeitete er sich durch das Hannoversche Militär nach oben. Und schrieb nebenher Werke über die Militärgeschichte. Sein Buch über die Kriegskunst Friedrichs des Großen z. Bsp. brachte ihm erste Tantiemen ein, wurde über Hannover hinaus gelesen, geschätzt und sorgte an einem bestimmten Punkt dafür, dass „die Preußen“ auf den Hannoveraner aufmerksam wurden. Am gegen das revolutionäre Frankreich gerichteten „Flandern-Feldzug“ nahm er für Hannover als Artillerie-Hauptmann, später Major im Stabsdienst teil. Zuvor hatte er bereits an der Artillerieschule in Hannover unterrichtet und war einer Freimaurer-Loge in Göttingen beigetreten. Letzteres nicht ganz ungewöhnlich für diese Zeit, in der „Logen“, Sektiererei und „Salons“ ihre Hochkonjunktur in Deutschland hatten. Nicht vergessen: der große Aufklärer Kant lebte sogar noch ! (Und es gab kein Internet, in dem die „großen Geister“ miteinander hätten chatten können.)
Nach dem Ende dieses Konflikts in den Niederlanden und Belgien 1795 widmete sich Scharnhorst wieder seinen Analysen und Schriften. Gab mehrere Berichte seiner Erfahrungen im Flandern-Feldzug zu Protokoll und machte Eingaben an die Vorgesetzten. Zur militärischen Reform natürlich und ebenso selbstverständlich wurden seine nüchternen, analytischen Gedanken und Anregungen zurückgewiesen. Der Zeitgeist in Hannover (und z. T. auch in Preußen, das werden wir gleich noch sehen) stand eben noch auf „was beim Alten Fritzen und dem Alten Braunschweiger gut war, muss auch jetzt noch funktionieren“. Napoleon wird mit dieser Form des Klammerns am Überkommenen gründlich aufräumen. Nur wenige Jahre später schon.
Scharnhorst wird „Preuße“
Wie schon erwähnt, las man Scharnhorsts Schriften auch in Preußen. Auch manch Militär, vor allem solche, die mit Scharnhorst im Flandern-Feldzug gedient hatten, las seine Analysen und wusste sie zu schätzen. Seine Arbeit ab 1796, als er in Hannover zum Oberstleutnant befördert worden war, fand aber unter den Bedingungen, nur ein Anhängsel Englands zu sein, dort zumindest keine echte Breitenwirkung. 1801 schließlich gab Scharnhorst dem dauerhaften „Werben“ Preußens um den Intellektuellen und Organisator nach.
Und sofort ernannte man ihn zum Leiter einer Schule für „junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere“. Erstaunlich, denn wie gesagt war Scharnhorst eigentlich Artillerist. Seine Schüler damals waren übrigens u. a. weitere, spätere Antreiber der preußischen Militärreformen wie Hermann von Boyen (, der heute in unmittelbarer Nähe Scharnhorsts in Berlin begraben liegt) und der bekannte Carl von Clausewitz. Man kann den Einfluss, den Scharnhorsts umfangreiches Wissen um die „Kriegskunst“ und die Historie derselben auf seine Studenten hatte, kaum abschätzen. Ich persönlich komme inzwischen zu der Ansicht, dass Scharnhorst DAS GEHIRN hinter den preußischen Militärreformen war, die am Ende dazu beitragen sollten, die Franzosen wieder aus dem Lande zu bekommen. Aber ich greife vorweg.
Wird mein Beitrag hier wieder zu lang ? Ja. OK. So be it, sorry.
Scharnhorst im Kriege
In Preußen machte sich Scharnhorst nicht nur an die Bildung von jungen Offizieren, sondern er machte auch diverse Eingaben an den König für eine Militärreform. Seine Erfahrungen aus dem Flandern-Feldzug und seine Analysen der ersten napoleonischen Feldzüge veranlassten ihn dazu. Und hier schält sich ein Motiv der kommenden Jahre heraus: Scharnhorst war als Organisator, als „Denker“ in Berlin und Potsdam gefragt, genoss angeblich sogar das Wohlwollen Friedrich-Wilhelms III. , aber daraus leiteten sich kaum mehr als ebensolche Gesten ab: Wohlwollensgesten ohne Inhalt. Denn Scharnhorsts Eingabe von 1802 wurde vom unmittelbaren Umfeld des Königs verworfen oder gleich ganz ignoriert, dafür bekam der Obrist wie schon erwähnt aber den erblichen Adelstitel verliehen. Eine Beförderung in den Generalsrang war jedoch ebenfalls noch nicht in Sicht.
Die Schlacht von Jena und Auerstedt gegen Napoleon erlebte Scharnhorst 1806 dann als Generalstabschef der Hauptarmee unter dem Herzog Karl Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel (dem Neffen des „alten Braunschweigers“ Ferdinand und Friedrichs des Großen), mit dem ihn nur diverse Kontroversen um die Disposition der Truppen und die allgemeine, strategische Ausrichtung „verbanden“. Nach der Niederlage zog Scharnhorst sich mit der „Nachhut“ der Truppen unter Blücher in Richtung Norddeutschland zurück und wurde schließlich in Lübeck gefangengenommen, jedoch kurze Zeit später wieder gegen einen französischen Offizier ausgetauscht.
Bei der Schlacht von Preußisch-Eylau 1807 war Scharnhorst wiederum Generalstabschef des preußischen Korps unter dem bereits gesundheitlich schwer angeschlagenen General l´Estocq. Dem beherzten Eingreifen der preußischen Truppen war es zu verdanken, dass Napoleon der russischen Armee unter Bennigsen, die eigentlich bereits besiegt schien, dann doch keine Niederlage beibringen konnte. Der „empereur“ musste sich unverrichteter Dinge zurückziehen und nur der Ermüdung der russischen und preußischen Verbündeten war es zu verdanken, dass die fliehenden Franzosen nicht verfolgt und aufgerieben wurden. Scharnhorst erhält später für seine Leistungen in der Truppenführung den „pour le Mérite“ – Orden.
Scharnhorst als „Minister“
In der Folge wurde Scharnhorst Vorsteher des „Kriegsdepartements“ und Vorsitzender einer Reorganisationskommission für das preußische Militär. In dieser Kommission trifft er u. a. von Boyen und von Clausewitz wieder. Auch der ähnlich gesinnte Neidhardt von Gneisenau ist hier vertreten. Auf Scharnhorsts ausdrücklichen Wunsch hin, übrigens. Endlich hat Scharnhorst auch den Rang eines Generalmajors. Kriegsminister und Reformer also. De jure also der zweithöchste Militär nach dem preußischen König selbst. Nur was konnte das im besiegten, besetzten und auf ein paar Provinzen reduzierten Preußen von Napoleons (und Zar Alexanders) Gnaden noch bedeuten ?
Immerhin genug, um den Usurpator und Kriegsherren Napoleon schon 1810 dazu zu bringen, den Herrn General von Scharnhorst ablösen zu lassen. Er gab seinen preußischen Befehlsempfängern einen Wink und der Vorsteher des Kriegsdepartements in Preußen war abgelöst. Dieser Mann schien also gefährlich geworden zu sein. Die französische Presse hatte ihn ja auch immerhin schon vor Jahren als „Kriegshetzer“ oder „Agenten Englands“ u. ä. verschrien…
Denn „Scharnhorst and the gang“ hatten ordentlich losgelegt. Ihre greatest hits:
- Abschaffung der Prügelstrafe in der preußischen Armee (ein Herzensanliegen von Boyens seit Jahren),
- endgültige Abschaffung des „Kantonalsystems“ bei der Rekrutierung, stattdessen Schnellkurse als Infanterist für JEDERMANN,
- Einführung der Qualifikationen für Offiziere. Der Adelstitel alleine reichte nicht mehr aus, eine Grundschulung in Taktik und Führung musste her,
- Vorbereitung der Umwandlung des soldbasierten Heeres in ein „Volksheer“. Die Idee des „Bürgers in Uniform“, die später noch die Bundeswehr als Grundlage ihres einstigen Grundwehrdienstes betrachtete, kann bis hierher zurückverfolgt werden. Zumindest in unserer Region.
Scharnhorst, ganz Pragmatiker, nahm die Ablösung als Kriegsminister sachlich und widmete sich daraufhin verstärkt einer anderen seiner Herzensangelegenheiten: er baute das militärische Ingenieurskorps in der preußischen Armee auf. Gemeinsam mit seinem Gleichgesinnten, dem Obersten Gustav von Rauch, einem späteren Ehrenbürger Berlins (Nr. 16), nach dem übrigens in meinem Kiez bis heute eine Straße benannt ist.
der finale Kampf
Die eigentlichen Befreiungskriege, die Bündniskriege gegen Napoleon beginnen für Scharnhorst mit einem kleinen Lächeln. Dass ausgerechnet der „eckige, spröde und verschlossene“ Yorck von Wartenburg mit seiner völlig unvorhersehbaren „Konvention von Tauroggen“ die Türen für ein Bündnis Preußens mit Russland gegen Napoleon öffnete, war nicht ohne Ironie. Verkörperte Yorck doch ein Stück weit den Offizier alter Prägung, dessen Wert nur in der Art und Weise, wie er mit persönlichen Erfahrungen umging, ermessen werden konnte. (Andererseits war Yorck davon überzeugt, dass jeder seiner untergebenen Offiziere den Sinn von Befehlen verstehen sollte und sie erklärt werden müssten, DAS immerhin war modern…)
Das Bündnis mit Russland von 1813 befürwortete Scharnhorst, die Errichtung des Ordens „vom Eisernen Kreuze“ regte er beim König an. Das Design dafür lieferte natürlich der geniale Carl-Friedrich Schinkel. Scharnhorst wird der „Schlesischen Armee“ unter Blücher, wieder als Generalstabschef, zugeteilt. Man kannte sich und ergänzte sich. In der Schlacht von Großgörschen, am 02. Mai 1813, erlitt Scharnhorst eine Schussverletzung, die nicht ordentlich behandelt wurde. Das Eiserne Kreuz wurde ihm immerhin ebenfalls zuerkannt und seine Beförderung zum Generalleutnant genehmigt.
Um die noch zögernden Österreicher zum Eintritt in die Anti-Napoleon-Koalition zu bewegen, reist Scharnhorst schließlich in Richtung Wien, erreicht es aber nicht mehr. Er stirbt in Prag an den Folgen der erwähnten Schussverletzung (vermutlich Blutvergiftung o. ä.) am 28. Juni 1813. Ein weiterer „Moses“, der das „gelobte Land“, die Niederringung Napoleons, nicht mehr sehen kann. Dennoch wäre ohne seine Vorarbeit, ohne seine Erkenntnis, dass des „Alten Fritzen“ Linientaktik nicht mehr funktionierte, dass eine Armee tief im Volke verankert sein muss, dass Offiziere qualifiziert sein (oder werden) müssen usw. eine erfolgreiche Kriegsführung gegen Frankreich undenkbar gewesen.
Gerhard Johann David von Scharnhorst liegt auf dem ehemaligen Invalidenfriedhof in Berlin begraben. Sein Grabmal ist einem Entwurf Schinkels zu verdanken und hat als auffälligstes Merkmal einen Hochsarkophag, auf dem ein schlafender Löwe aus Bronze zu finden ist, der aus der Werkstatt des bekannten Bildhauers Christian Daniel Rauch stammt. Sein Marmor-Denkmal „Unter den Linden“, ebenfalls von C. D. Rauch, wurde 1822 vor der „Neuen Wache“ aufgestellt und findet sich heute auf der anderen Straßenseite wieder. (Witz der Geschichte: Bülow und Scharnhorst sind beide „Jahrgang 1755“ so wie ihrer beider Statuen „Jahrgang 1822“ sind.)
Dies ist ein Beitrag aus meiner Reihe: „die fünf Statuen vom Prinzessinnengarten“:
- Teil 1: David Ludwig Yorck von Wartenburg,
- Teil 2: Friedrich-Wilhelm, Graf Bülow von Dennewitz,
Quellen:
Bilder:
- von mir, (c) 2019,
- gemeinfrei,
- Von 西部方面奇行師団長 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21393649
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Text:
- wikipedia,
- „geschimagazin“,
- „Scharnhorst“, Hans Pfeiffer, Verlag „Neues Leben“, Berlin, 1988,