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Persönlichkeiten: Scharnhorst – der „konservative Reformer“

Denkmäler hat man ihm errichtet. Seinen Namen damit bis heute „konserviert“. Gerhard Johann David von Scharnhorst. Militärreformer Preußens, Soldat, „influencer“ der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich. Ein Mann mit gewaltiger Nachwirkung und ungebrochener, militärischer Traditionslinie. Außerdem steht sein Denkmal „Unter den Linden“ in Berlin. Noch ein Grund mehr, ihm mal auf den Zahn zu fühlen !

Ungebrochene Anerkennung und militärische Tradition

SMS „Scharnhorst“, etwa 1907

Das Interessante an der historischen Figur des Gerhard Johann David von Scharnhorst ist, dass er seit seinem Ableben von allen nachfolgenden, deutschen Staaten geehrt oder zumindest respektiert und in die positive Traditionslinie des Militärs eingereiht wurde. Preußen baute ihm Denkmäler (Bayern widmete ihm ebenfalls eine Büste in der „Walhalla“ bei Regensburg), das Kaiserreich benannte einen Panzerkreuzer der kaiserlichen Marine nach ihm (Interessant: das Wrack wurde erst 2019 vor den Falklandinseln entdeckt…lange Geschichte…). Die Weimarer Republik kratzte nicht einmal an dem Podest, auf dem er stand und die Nazis hatten wieder einen Schlachtkreuzer der Marine parat, der seinen Namen bekam. Eines der vier schwersten Marineschiffe überhaupt.

Scharnhorst-Orden der DDR

Die DDR-Volksarmee berief sich auf sein publizistisches Werk und in der DDR erschien auch ein populärer, historischer Roman über ihn (unter dem Autoren-Pseudonym „Hans Pfeiffer“ übrigens…Feuerzangenbowle ließ grüßen). Auch packte man Scharnhorst auf Briefmarken und widmete ihm einen Orden im SED-Staat.
Die Gründung der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland wurde ebenfalls im Jahre 1955 bewusst auf den 12. November gelegt, den 200. Geburtstag Scharnhorsts. Also auch hier der Griff in die Traditionskiste. ICH zumindest finde alle diese Dinge beeindruckend. Man kann also sagen, dass preußische Traditionalisten, Deutschnationale und Monarchisten, Sozialisten, Faschisten und Demokraten ihn gleichermaßen klasse fanden und finden. Eigentlich suspekt, wenn ich ehrlich bin….

der Offizier, Schriftsteller, Freimaurer und Lehrer 

Und, wie bei vielen „bedeutenden Preußen“ lag seine Wiege weder in Brandenburg/Havel noch Königsberg. Sondern stattdessen in Bordenau bei Hannover, wo er 1755 geboren wurde. Als Sohn eines Soldaten und Landverwalters. Kein Adel übrigens in Sicht. Den „von“ gaben ihm erst die Preußen im Jahre 1802 (wikipedia sagt 1804, aber die haben auch nicht immer Recht). Zuvor aber arbeitete er sich durch das Hannoversche Militär nach oben. Und schrieb nebenher Werke über die Militärgeschichte. Sein Buch über die Kriegskunst Friedrichs des Großen z. Bsp. brachte ihm erste Tantiemen ein, wurde über Hannover hinaus gelesen, geschätzt und sorgte an einem bestimmten Punkt dafür, dass „die Preußen“ auf den Hannoveraner aufmerksam wurden. Am gegen das revolutionäre Frankreich gerichteten „Flandern-Feldzug“ nahm er für Hannover als Artillerie-Hauptmann, später Major im Stabsdienst teil. Zuvor hatte er bereits an der Artillerieschule in Hannover unterrichtet und war einer Freimaurer-Loge in Göttingen beigetreten. Letzteres nicht ganz ungewöhnlich für diese Zeit, in der „Logen“, Sektiererei und „Salons“ ihre Hochkonjunktur in Deutschland hatten. Nicht vergessen: der große Aufklärer Kant lebte sogar noch ! (Und es gab kein Internet, in dem die „großen Geister“ miteinander hätten chatten können.)

Nach dem Ende dieses Konflikts in den Niederlanden und Belgien 1795 widmete sich Scharnhorst wieder seinen Analysen und Schriften. Gab mehrere Berichte seiner Erfahrungen im Flandern-Feldzug zu Protokoll und machte Eingaben an die Vorgesetzten. Zur militärischen Reform natürlich und ebenso selbstverständlich wurden seine nüchternen, analytischen Gedanken und Anregungen zurückgewiesen. Der Zeitgeist in Hannover (und z. T. auch in Preußen, das werden wir gleich noch sehen) stand eben noch auf „was beim Alten Fritzen und dem Alten Braunschweiger gut war, muss auch jetzt noch funktionieren“. Napoleon wird mit dieser Form des Klammerns am Überkommenen gründlich aufräumen. Nur wenige Jahre später schon.

Scharnhorst wird „Preuße“

Wie schon erwähnt, las man Scharnhorsts Schriften auch in Preußen. Auch manch Militär, vor allem solche, die mit Scharnhorst im Flandern-Feldzug gedient hatten, las seine Analysen und wusste sie zu schätzen. Seine Arbeit ab 1796, als er in Hannover zum Oberstleutnant befördert worden war, fand aber unter den Bedingungen, nur ein Anhängsel Englands zu sein, dort zumindest keine echte Breitenwirkung. 1801 schließlich gab Scharnhorst dem dauerhaften „Werben“ Preußens um den Intellektuellen und Organisator nach.

Grabstätte „von Boyen“, vorne, Grab Scharnhorst („schlafender Löwe“) direkt dahinter, Ex-Invalidenfriedhof Berlin

Und sofort ernannte man ihn zum Leiter einer Schule für „junge Infanterie- und Kavallerieoffiziere“. Erstaunlich, denn wie gesagt war Scharnhorst eigentlich Artillerist. Seine Schüler damals waren übrigens u. a. weitere, spätere Antreiber der preußischen Militärreformen wie Hermann von Boyen (, der heute in unmittelbarer Nähe Scharnhorsts in Berlin begraben liegt) und der bekannte Carl von Clausewitz. Man kann den Einfluss, den Scharnhorsts umfangreiches Wissen um die „Kriegskunst“ und die Historie derselben auf seine Studenten hatte, kaum abschätzen. Ich persönlich komme inzwischen zu der Ansicht, dass Scharnhorst DAS GEHIRN hinter den preußischen Militärreformen war, die am Ende dazu beitragen sollten, die Franzosen wieder aus dem Lande zu bekommen. Aber ich greife vorweg.

Wird mein Beitrag hier wieder zu lang ? Ja. OK. So be it, sorry.

Scharnhorst im Kriege

In Preußen machte sich Scharnhorst nicht nur an die Bildung von jungen Offizieren, sondern er machte auch diverse Eingaben an den König für eine Militärreform. Seine Erfahrungen aus dem Flandern-Feldzug und seine Analysen der ersten napoleonischen Feldzüge veranlassten ihn dazu. Und hier schält sich ein Motiv der kommenden Jahre heraus: Scharnhorst war als Organisator, als „Denker“ in Berlin und Potsdam gefragt, genoss angeblich sogar das Wohlwollen Friedrich-Wilhelms III. , aber daraus leiteten sich kaum mehr als ebensolche Gesten ab: Wohlwollensgesten ohne Inhalt. Denn Scharnhorsts Eingabe von 1802 wurde vom unmittelbaren Umfeld des Königs verworfen oder gleich ganz ignoriert, dafür bekam der Obrist wie schon erwähnt aber den erblichen Adelstitel verliehen. Eine Beförderung in den Generalsrang war jedoch ebenfalls noch nicht in Sicht.

Die Schlacht von Jena und Auerstedt gegen Napoleon erlebte Scharnhorst 1806 dann als Generalstabschef der Hauptarmee unter dem Herzog Karl Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel (dem Neffen des „alten Braunschweigers“ Ferdinand und Friedrichs des Großen), mit dem ihn nur diverse Kontroversen um die Disposition der Truppen und die allgemeine, strategische Ausrichtung „verbanden“. Nach der Niederlage zog Scharnhorst sich mit der „Nachhut“ der Truppen unter Blücher in Richtung Norddeutschland zurück und wurde schließlich in Lübeck gefangengenommen, jedoch kurze Zeit später wieder gegen einen französischen Offizier ausgetauscht.

Bei der Schlacht von Preußisch-Eylau 1807 war Scharnhorst wiederum Generalstabschef des preußischen Korps unter dem bereits gesundheitlich schwer angeschlagenen General l´Estocq. Dem beherzten Eingreifen der preußischen Truppen war es zu verdanken, dass Napoleon der russischen Armee unter Bennigsen, die eigentlich bereits besiegt schien, dann doch keine Niederlage beibringen konnte. Der „empereur“ musste sich unverrichteter Dinge zurückziehen und nur der Ermüdung der russischen und preußischen Verbündeten war es zu verdanken, dass die fliehenden Franzosen nicht verfolgt und aufgerieben wurden. Scharnhorst erhält später für seine Leistungen in der Truppenführung den „pour le Mérite“ – Orden.

Scharnhorst als „Minister“

Carl von Clausewitz

In der Folge wurde Scharnhorst Vorsteher des „Kriegsdepartements“ und Vorsitzender einer Reorganisationskommission für das preußische Militär. In dieser Kommission trifft er u. a. von Boyen und von Clausewitz wieder. Auch der ähnlich gesinnte Neidhardt von Gneisenau ist hier vertreten. Auf Scharnhorsts ausdrücklichen Wunsch hin, übrigens. Endlich hat Scharnhorst auch den Rang eines Generalmajors. Kriegsminister und Reformer also. De jure also der zweithöchste Militär nach dem preußischen König selbst. Nur was konnte das im besiegten, besetzten und auf ein paar Provinzen reduzierten Preußen von Napoleons (und Zar Alexanders) Gnaden noch bedeuten ?

Immerhin genug, um den Usurpator und Kriegsherren Napoleon schon 1810 dazu zu bringen, den Herrn General von Scharnhorst ablösen zu lassen. Er gab seinen preußischen Befehlsempfängern einen Wink und der Vorsteher des Kriegsdepartements in Preußen war abgelöst. Dieser Mann schien also gefährlich geworden zu sein. Die französische Presse hatte ihn ja auch immerhin schon vor Jahren als „Kriegshetzer“ oder „Agenten Englands“ u. ä. verschrien…

Denn „Scharnhorst and the gang“ hatten ordentlich losgelegt. Ihre greatest hits:

  • Abschaffung der Prügelstrafe in der preußischen Armee (ein Herzensanliegen von Boyens seit Jahren),
  • endgültige Abschaffung des „Kantonalsystems“ bei der Rekrutierung, stattdessen Schnellkurse als Infanterist für JEDERMANN,
  • Einführung der Qualifikationen für Offiziere. Der Adelstitel alleine reichte nicht mehr aus, eine Grundschulung in Taktik und Führung musste her,
  • Vorbereitung der Umwandlung des soldbasierten Heeres in ein „Volksheer“. Die Idee des „Bürgers in Uniform“, die später noch die Bundeswehr als Grundlage ihres einstigen Grundwehrdienstes betrachtete, kann bis hierher zurückverfolgt werden. Zumindest in unserer Region.

Scharnhorst, ganz Pragmatiker, nahm die Ablösung als Kriegsminister sachlich und widmete sich daraufhin verstärkt einer anderen seiner Herzensangelegenheiten: er baute das militärische Ingenieurskorps in der preußischen Armee auf. Gemeinsam mit seinem Gleichgesinnten, dem Obersten Gustav von Rauch, einem späteren Ehrenbürger Berlins (Nr. 16), nach dem übrigens in meinem Kiez bis heute eine Straße benannt ist.

der finale Kampf

Die eigentlichen Befreiungskriege, die Bündniskriege gegen Napoleon beginnen für Scharnhorst mit einem kleinen Lächeln. Dass ausgerechnet der „eckige, spröde und verschlossene“ Yorck von Wartenburg mit seiner völlig unvorhersehbaren „Konvention von Tauroggen“ die Türen für ein Bündnis Preußens mit Russland gegen Napoleon öffnete, war nicht ohne Ironie. Verkörperte Yorck doch ein Stück weit den Offizier alter Prägung, dessen Wert nur in der Art und Weise, wie er mit persönlichen Erfahrungen umging, ermessen werden konnte. (Andererseits war Yorck davon überzeugt, dass jeder seiner untergebenen Offiziere den Sinn von Befehlen verstehen sollte und sie erklärt werden müssten, DAS immerhin war modern…)

Das Bündnis mit Russland von 1813 befürwortete Scharnhorst, die Errichtung des Ordens „vom Eisernen Kreuze“ regte er beim König an. Das Design dafür lieferte natürlich der geniale Carl-Friedrich Schinkel. Scharnhorst wird der „Schlesischen Armee“ unter Blücher, wieder als Generalstabschef, zugeteilt. Man kannte sich und ergänzte sich. In der Schlacht von Großgörschen, am 02. Mai 1813, erlitt Scharnhorst eine Schussverletzung, die nicht ordentlich behandelt wurde. Das Eiserne Kreuz wurde ihm immerhin ebenfalls zuerkannt und seine Beförderung zum Generalleutnant genehmigt.

Um die noch zögernden Österreicher zum Eintritt in die Anti-Napoleon-Koalition zu bewegen, reist Scharnhorst schließlich in Richtung Wien, erreicht es aber nicht mehr. Er stirbt in Prag an den Folgen der erwähnten Schussverletzung (vermutlich Blutvergiftung o. ä.) am 28. Juni 1813. Ein weiterer „Moses“, der das „gelobte Land“, die Niederringung Napoleons, nicht mehr sehen kann. Dennoch wäre ohne seine Vorarbeit, ohne seine Erkenntnis, dass des „Alten Fritzen“ Linientaktik nicht mehr funktionierte, dass eine Armee tief im Volke verankert sein muss, dass Offiziere qualifiziert sein (oder werden) müssen usw. eine erfolgreiche Kriegsführung gegen Frankreich undenkbar gewesen.

Invalidenfriedhof Berlin, Scharnhorstgrabmal

Gerhard Johann David von Scharnhorst liegt auf dem ehemaligen Invalidenfriedhof in Berlin begraben. Sein Grabmal ist einem Entwurf Schinkels zu verdanken und hat als auffälligstes Merkmal einen Hochsarkophag, auf dem ein schlafender Löwe aus Bronze zu finden ist, der aus der Werkstatt des bekannten Bildhauers Christian Daniel Rauch stammt. Sein Marmor-Denkmal „Unter den Linden“, ebenfalls von C. D. Rauch, wurde 1822 vor der „Neuen Wache“ aufgestellt und findet sich heute auf der anderen Straßenseite wieder. (Witz der Geschichte: Bülow und Scharnhorst sind beide „Jahrgang 1755“ so wie ihrer beider Statuen „Jahrgang 1822“ sind.)

Dies ist ein Beitrag aus meiner Reihe: „die fünf Statuen vom Prinzessinnengarten“:

Quellen:

Bilder:

Text:

Pesönlichkeiten: Yorck – der „Franzosenfresser“

Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg ist heutzutage aus den öffentlichen Traditionsbekundungen unserer Republik weitgehend verschwunden. Kein Wunder, galt er doch früher und gilt für viele noch heute als der „Franzosenfresser“, dem der Kampf gegen Napoleon im Blute steckte. Was man natürlich in Zeiten von „EU-Europa“-Illusionen und europäischer „Superstaatsphantasien“, die oft mit einer extremen Frankophilie einhergehen, nicht mehr zu brauchen glaubt, sind „alte Feindbilder“. Na, ja. Wie es auch immer derzeit um die deutsch-französischen Beziehungen bestellt sein mag, über Yorck wird man dennoch weiter reden müssen. Und sei es „nur“ unter einem ganz anderen Aspekt: wenn historisch Halb- oder Ungebildete uns wieder vom „preußischen Kadavergehorsam“ daherfaseln wollen, können wir ihnen nicht nur Marwitz und Seydlitz, sondern auch Yorck entgegenhalten. Na, dann, hinein in Yorcks Leben:

Yorck wurde unehelich 1759 in Potsdam geboren. Für die damalige Zeit ein Skandal, der erst vier Jahre später durch die Heirat seiner Eltern einigermaßen gedeckelt wurde. Seine Familien-Wurzeln reichen wohl ins Kaschubische zurück und noch der Großvater nannte sich wohl „Jarka von Gostkowski“ und erst zu Zeiten seines Vaters wurde der Name dann wohl auf „Yorck“ geändert und das allzu polnische „Gostkowski“ gleich ganz weggelassen. Immerhin: Yorcks Vater, David Jonathan von Yorck, war bereits preußischer Offizier. Hauptmann einer Grenadierkompanie.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass sein Sohn Ludwig schon mit 13 Jahren als Junker in ein Infanterieregiment eintrat. Bereits 1777 wurde er zum Leutnant ernannt. Und zog in diesem Range in den „Kartoffelkrieg“ um Bayern. Ohne jetzt allzuviel in seine Militärlaufbahn eintauchen zu wollen, wird aber schon früh deutlich, dass Yorck KEIN bequemer Untergebener war. 1780 wird er zum ersten Male aus dem Militärdienst entlassen. Wegen „Insubordination“. Was hatte Yorck getan ? Er hatte es einem diebischen und charakterlosen Vorgesetzten gegenüber an „gebührender Hochachtung“ fehlen lassen. Und DAS genau erinnert an mehr als eine überdurchschnittliche, außerordentliche, preußische Militärkarriere. „Zieten aus dem Busch“ etwa zog sich mehrfach wegen verletzter Ehre aus dem Militärdienst zurück bzw. wurde aus Regimentern gefeuert, weil er sich Ehren-Duelle mit Vorgesetzten lieferte. Und sowohl Zieten, wie auch Yorck wird man später Denkmäler errichten. „Einfach zu kommandieren“ ? „Kadavergehorsam“ ? Wohl kaum. Sklavische Unterwerfung ohne Sinn und Verstand ist deutsch. Preußisch war sie nicht.

Für Yorck immerhin zeigt sich hier bereits die Sperrigkeit seines Charakters, die eben tatsächlich mit der eines „Papa Zieten“ verglichen werden kann. Ein hochentwickeltes Ehrgefühl und eine darauf gründende Ethik prägten Yorcks Charakter sein Leben lang. Einfach machte er es seinen Zeitgenossen damit nicht, aber ich schätze, er konnte sein Leben lang in den Spiegel sehen, ohne angewidert zurückzuzucken. Dem kann und will ich meine persönliche Bewunderung nicht verweigern. Wenn ich mir die „Promis“ unserer Tage dagegen ansehe…

Ein Jahr Festungshaft bekam der „Insubordinierende“ Yorck dann auch noch aufgebrummt, die er in Königsberg absitzen musste. Zu Lebzeiten Friedrichs des Großen (gest. 1786) wurde Yorck nicht mehr in den preußischen Militärdienst aufgenommen, obwohl er zwei dementsprechende Gesuche zur Rückkehr stellte. Erst der „dicke Lüderjahn“, Friedrich-Wilhelm II. wird 1787 Yorck eine Rückkehr ins preußische Militär erlauben. Zuvor aber hatte Yorck in einem Regiment der Niederlande gedient, wo er sogar ein wenig von der weiten Welt sah, als diese Truppe für Frankreich in Sri Lanka kämpfte. Ob Yorcks legendäre Ablehnung Frankreichs schon hier seine Wurzeln hat ? Man hasst ja selten ohne Grund, ohne zu wissen WEN oder WAS. Ablehnung entsteht oft ja auch erst aus Erfahrung.

Preußische Militärkarriere

Ab jetzt machte Yorck die Karriere, die ihm unter Friedrich dem Großen noch verwehrt geblieben war. Vom Hauptmann 1787 bringt er es bis 1805 zum Obersten und Kommandeur eines Regiments. Beim Ausbruch des Preußisch-Französischen Krieges 1806 wird ihm das Kommando über die 1. leichte Brigade, die Vorhut der Truppen des Herzogs von Weimar übertragen. An der fatalen Schlacht von Jena und Auerstedt nimmt er nicht teil. Beim Eintreffen der Nachricht von der Niederlage zieht er sich mit seinen Einheiten über den Harz zurück, um sie mit Blüchers Korps zu vereinigen. Bei Rückzugsgefechten gegen die vorrückenden Franzosen wird er schließlich verletzt und gefangengenommen, aber 1807 gegen französische Offiziere wieder ausgetauscht.

Er bleibt weiter im Dienste und wird zunächst nach Westpreußen versetzt, wo er, der den preußischen Reformen dieser Zeit eigentlich kritisch gegenübersteht, an den Militärreformen insofern seinen Anteil nimmt, als er die ihm unterstehenden Truppen nach bestem Wissen und Gewissen formt. Dabei gehen die Fachleute heute davon aus, dass Yorck einen ganz anderen Kommando- und Führungsstil favorisiert, als die von ihm oft kritisierten Blücher oder Gneisenau. Yorck, der zwar ebenfalls auf eiserne Disziplin seiner Truppen setzt (etwas, das ihm wohl zu seiner Zeit als Söldner für die holländische Ostindien-Kompagnie eingebrannt wurde), bevorzugt hingegen Subalterne, die verstehen, WARUM ein Befehl so und nicht anders lautet. Er bevorzugte bestens ausgebildete und selbständige Einheiten, die er für besser einsetzbar hält, als blind folgende Marionetten. Eine rein logische Haltung, die dem an sich eher misanthropischen, an jeglichem „Idealismus“ oder „Fortschritt“ zweifelnden Reaktionär Yorck dennoch zu Gute gehalten werden muss.

Yorck-Standbild in Berlin

Noch 1807 wird er zum Generalmajor ernannt. Er bekommt die Aufsicht über die „leichten Truppen“, deren Ausbildung er sich widmet. Ab November 1811 dann Generalgouverneur Ostpreußens, später zum Generalleutnant befördert, gibt man Yorck dann die Stelle des „Zweiten Mannes“ im preußischen Korps, welches die baltische Flanke der Invasionstruppen Frankreichs nach Russland hin 1812 decken soll. Sein Vorgesetzter, Grawert, ist ein durch und durch frankophiler Kopf, während Yorck, der sich zeitlebens von aktiver Politik fernzuhalten sucht und als reiner Militärfachmann glänzen möchte, ausschließlich am Beweis der guten Einsatzfähigkeit seiner Truppen gelegen ist. Die Tatsache, dass die französischen Besatzer Preußen zu diesen Hilfsleistungen gezwungen haben, mag ihn belastet haben. Als Preuße aber dient er zunächst einmal und fragt erst später nach Sinn und Unsinn (immerhin wird er fragen). Denn zu den „Idealisten“ und „Reformern“ unter den preußischen Generälen, die nach dem erzwungenen, neuen Bündnis mit Napoleon entweder zurücktreten oder gleich ganz in russische Dienste fliehen, gehört er eben gerade nicht.

Tauroggen

Und ausgerechnet dieser reinen Soldaten-Natur wird dann eine hochpolitische Rolle in den Schoß fallen, mit der er sich zwar seinen Platz in den Geschichtsbüchern sichert, aber dennoch nur geradeso sein Gewissen, das ihm zusetzt, bezwingt. Natürlich rede ich von der „Konvention von Tauroggen“. Ordnen wir diese also mal kurz ein:

Wir wissen es: der Feldzug von Napoleons „Grande Armee“ nach Russland wird von der Weite der Landschaft, von verbissenem, russischen Widerstand (Borodino) und einem brennenden Moskau letztlich ad absurdum geführt. Die Truppen müssen sich wieder zurückziehen. Unter schrecklichen Umständen, im Frost des Winters 1812/13. In Deutschland wird gar ein Spottlied darüber gedichtet, das etwa so beginnt:
„Mit Mann und Roß und Wagen,
so hat sie Gott geschlagen!“
Napoleon rast bereits voran und flieht in aller Eile, um den politischen Folgen dieses Desasters in Paris zu begegnen, während seine Soldaten und die Soldaten diverser, meist deutscher Hilfskontingente in Scharen erfrieren, von russischen Kavalleristen geschnappt werden oder verhungern.  Was bedeutet das nun für das inzwischen alleine von Yorck geführte, preußische Hilfskorps im Baltikum ?

Diese Frage stellen sich nicht nur Offiziere in Preußen, nicht nur deutsche Offiziere in russischen Diensten, sondern auch Yorck, der wie erwähnt den erkrankten Grawert inzwischen im Kommando abgelöst hat. Dass es unter deutschen, unter preußischen Offizieren seit 1806 nur wenig Sympathien für Frankreich gab, ist bekannt. Dass man lieber mit dem wankelmütigen Despoten, Zar Alexander, im Bündnis wäre, als mit dem größenwahnsinnigen, korsischen Usurpator, ist auch gegeben. Die Erfahrungen, die man etwa mit den französischen Besatzungstruppen in Preußen gemacht hatte, ließen kaum andere Gefühle zu. Wobei gerade Yorck hier aber eine gewisse Indifferenz an den Tag legt. Wie gesagt: er versuchte, sich von der Weltpolitik fernzuhalten, ein reiner Militär-Profi zu sein, der für König und Vaterland seinen Dienst verrichtete.

Wappen Yorcks, Detail vom Standbild in Berlin

Und nun treten diverse, deutschsprachige Unterhändler an ihn heran, die ihm nahelegen, sich von Frankreich zu distanzieren und seine Truppen dem Oberbefehl des französischen Marschalls MacDonald (nein, der verkaufte noch keine Burger) zu entziehen. Eine eigentlich absurde Forderung, da es nur am König war, solche Befehle, die einem Bündnisabfall von Napoleons Frankreich gleichkamen, zu geben. Was auch immer in Russland passiert sein mochte, Yorck hatte weder das Temperament, noch die Befugnis, hier eigenständig zu handeln und sozusagen „aktive Befehlsverweigerung“ zu begehen, da seine letzten Anweisungen ja noch immer die waren, an Frankreichs Seite zu stehen. Am Ende wird er aber doch eine „Konvention“ unterzeichnen, die berühmte „Konvention von Tauroggen“, mit der er seine Truppen zurückzieht und „neutralisiert“. Woher also dieser Haltungswechsel ? Das ist schwer zu sagen. Natürlich machen die mittlerweile in russischen Diensten stehenden Generale Diebitsch und von Clausewitz ordentlich Druck auf Yorck. Auch war er selbst kein wirklicher Frankophiler. Keiner, der in Bildung, Gesinnung oder Geschmack als „französisch“ zu bezeichnen gewesen wäre. Und von denen gab es vor und auch nach 1805 sicher so einige sowohl in Preußen wie im Rest Deutschlands.

Auch war die Demütigung der Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt natürlich nicht so völlig impressionslos an Yorck vorübergegangen. Obwohl er selbst daran unbeteiligt war, so war er doch Preuße genug, um die folgenden Kontributionen, Besatzungen und die Plünderungen (Quadriga….) der Franzosen nicht ohne Zähneknirschen hinnehmen zu können. Er wird nach der Zeichnung besagter Konvention am 30. Dezember 1812, mit der sich Yorck tage- und wochenlang schwergetan hatte, einen Brief an seinen König verfassen, in dem er seine Beweggründe darzulegen versucht. Es offenbart sich hier ein scheinbar für Yorck sehr untypischer Opportunismus, wenn er schreibt:

Der Zeitpunkt muss aber schnell benutzt werden. Jetzt oder nie ist der Moment, Freiheit, Unabhängigkeit und Größe wiederzuerlangen, ohne zu große und zu blutige Opfer bringen zu müssen. ….
Die Zeitumstände aber haben ein ganz anderes Verhältnis herbeigeführt, und es ist ebenfalls Pflicht, diese nie wieder zurückkehrenden Verhältnisse zu benutzen.
(aus dem Brief Yorcks vom 03. Januar 1813)

Die Reaktion aus dem Hofstaat des Königs Friedrich-Wilhelms III. und von Seiner Majestät selbst auf die Nachricht aus Tauroggen ist in zwei Phasen unterteilt. In Phase eins, als man noch von einer bedingungslosen Kapitulation Yorcks vor den anrückenden, russischen Truppen ausgeht, ist man mit der Situation noch recht zufrieden. Man kann gegenüber dem französischen Verbündeten dieses Handeln rechtfertigen und behält dennoch eine intakte Truppe in Reichweite. Als aber deutlich wird, dass Yorck eine Art „Neutralitätsvertrag“ für Preußen gezeichnet hat, geht dem Monarchen der Hut hoch. Ein „Subalterner“ hat es gewagt, eigenständig eine Entscheidung zu treffen, die starke, politische Implikationen mit sich bringt. Und das gegen die geltende Befehlslage aus des Königs Kabinett ! FWIII wütet, will Yorck seines Kommandos entheben und vor ein Kriegsgericht stellen. Ein Haftbefehl auf seinen Namen wird ausgestellt !

Aber noch einmal schlägt die „Stimmung“ um. Und zum vielleicht ersten Male in der preußischen Geschichte spielt diese „Stimmung“ unter den Gebildeten, den Freiwilligen, den Bürgern und Adligen mit Ehrgefühl eine Rolle. Denn Yorcks eigenmächtiges Handeln löste spontane Begeisterung unter Politikern, Militärs und sonstigen, preußischen Patrioten aus. Diese offene Abkehr von Napoleon, dieses Neutralisieren des „Yorckschen Korps“ aus ca. 20.000 Mann und dessen Rückzug auf sichere Positionen gibt den Startschuss für die Befreiungskriege in Preußen !  Um diesen Artikel nicht noch länger zu machen, als nötig: auf Friedrich-Wilhelm III. wird in den Wochen nach Tauroggen Druck gemacht. Man drängt den „Zauderer“ unter den Hohenzollern dazu, sich eindeutig gegenüber seinen Preußen zu äußern und das Bündnis mit den Franzosen auf den Mond zu schießen. Aus der Reichweite der napoleonischen Besatzungstruppen schließlich, entfernt sich der König nach Breslau und wird von dort aus am 17. März 1813 die Erklärung „an mein Volk“ unterschreiben und sie drei Tage später in einer Zeitung publizieren lassen. Die Erklärung, in der er seine Preußen zur Vereinigung im Kampf gegen Frankreich aufruft.

Yorck-Denkmal in Berlin. Detail.

Yorck wird in den kommenden Feldzügen immer wieder aktiv ins Geschehen eingreifen, wird u. a. 1813 den Übergang über die Elbe bei Wartenburg erzwingen und damit Napoleons Truppen weiter in Richtung Sachsen treiben, wo dann später die „Völkerschlacht bei Leipzig“ den Korsen beuteln wird. Diese Tat wird vom König später zum Anlass genommen, Yorck im März 1814 zum „Grafen von Wartenburg“ zu erheben. Wir sehen: der Haftbefehl vom Januar 1813 ist nie vollstreckt worden…
Den letzten Versuch Napoleons, Frankreichs Dominanz über Kontinentaleuropa im Jahre 1815 wieder herzustellen, wird Yorck nicht mehr in führender Position erleben. Er sollte ein Reservekorps in Mitteldeutschland kommandieren, woraufhin er sich zurückgesetzt fühlt und aus verletztem Ehrgefühl umgehend seinen Abschied aus dem Militärdienst einreicht. Der ihm allerdings erst nach der Schlacht von „Belle-Alliance/Waterloo“, bei der Bonaparte zum letzten Male besiegt wird und ausgerechnet Yorcks Intimfeinde Blücher und Gneisenau eine wichtige Rolle spielen, gewährt wird.

Yorck zieht sich auf das ihm vom König geschenkte Landgut Klein-Öls in Schlesien zurück. Er bekommt 1821 noch den Rang eines Generalfeldmarschalls verliehen. Neun Jahre später, 1830, verstirbt er auf seinen Besitzungen.

Nachleben:

David Ludwig Yorck von Wartenburg wurde von der Nachwelt auf vielfältige Weise geehrt. Straßen in Berlin und Potsdam wurden nach ihm benannt. Dementsprechend auch Brücken und Bahnhöfe des Nahverkehrs. Auch Denkmale wurden ihm errichtet. Eines davon 1855 in Berlin, Unter den Linden, enthüllt. Es stammt aus der Werkstatt des berühmten Christian Daniel Rauch. Heute steht es zusammen mit den Standbildern Blüchers und Gneisenaus etwas versteckt auf einer mit Hundekot besudelten Rasenfläche (die auch nach diesen Hinterlassenschaften riecht) zwischen Staatsoper und Opernpalais, die man euphemistisch unter Eingeweihten „Prinzessinnengarten“ nennt. Ebenso wird Yorck ein „Yorckscher Marsch“ gewidmet. Dessen Melodie gab es schon seit 1809 und sie stammt von Ludwig van Beethoven. Gewidmet wurde dieser Marsch dann aber 1813 dem Yorck von Wartenburg. Er ist seitdem unter dem o. e. Namen bekannt. Dieses Stück gehört noch heute zum Traditions-Bestand des Musikkorps der Bundeswehr. In der kaiserlichen Marine gab man 1904 einem Panzerkreuzer den Namen „Yorck“. Eine Nachfahrin des Generalfeldmarschalls taufte das Schiff damals. Ironischerweise wird dieser Kreuzer im November 1914 auf eigene Minen auflaufen und sinken. Auch bemerkenswert: ein Ur-Ur-Enkel Yorcks, Peter, Graf Yorck von Wartenburg, wird im Widerstand gegen Hitler aktiv sein und sich am 20. Juli beteiligen. Er wird am 08. August 1944 in Plötzensee hingerichtet.

Dieser Beitrag ist der erste Teil meiner Reihe „die fünf Generäle des Prinzessinnengartens“.

Quellen:

Fotos:

  • gemeinfrei,
  • von mir, 2019

Text: