Schlagwort-Archive: E. T. A. Hoffmann

Persönlichkeiten: E.T.A. Hoffmann – neben allen Stühlen

Offen gesagt, bin ich mir nicht sicher, wie es um die literarisch-historische Bildung meiner Zeitgenossen bestellt ist. Als Stadtführer habe ich bei der Erwähnung manchen Namens die berüchtigten „Kuh vor offenem Scheunentor“ – Gesichter zu mir zurückstarren sehen. Einer dieser Namen, die zumeist auf keinerlei erkennbare Reaktionen stießen, war der E. T. A. Hoffmanns. Wenn ich ihn in aller Kürze zu würdigen gedachte, bspw. am Berliner Gendarmenmarkt, wo er tatsächlich seine letzten Lebensjahre hindurch gewohnt hat, dann blieb wohl bei meinen Gästen kaum ein nachhaltiger Eindruck zurück. Schulen haben seine Werke wohl nicht (mehr ?) im Lehrplan, oft wird er mit „Hoffmann von Fallersleben“ verwechselt… Deshalb hier ein paar knappe Absätze über den Kapellmeister, preußischen Beamten, Schriftsteller und in gewisser Weise „freien Denker“ Hoffmann.

Sein Grab auf den „Friedhöfen vor dem Halleschen Tor“ in Berlin ist unauffällig. Beinahe zu übersehen. Wer nicht einen Hinweis aus entsprechenden Karten oder Büchern studiert, übersieht es leicht. Was man auf dem Grabstein aber nicht übersehen kann, ist die Tatsache, dass hier ein „E. T. W. Hoffmann“ beigesetzt wurde. Es gibt keinen E. T. A. Den neuen, dritten Vornamen, „Amadeus“ nämlich, den verpasste Hoffmann sich selbst. Aus Liebe zum Werk Mozarts. Geboren wurde er aber am 24. Januar 1776 in Königsberg unter dem Namen „Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann“. So wie es auf seinem Grabstein eben korrekt vermerkt ist (siehe Foto oben).

Ab hier frage ich mich immer, ob der Sohn eines Juristen eine für die damalige Zeit „normale“ Kindheit hatte, oder eine extrem wenig normale. Immerhin dämmert das bürgerliche Zeitalter ja schon… Hoffmanns Eltern trennen sich in jedem Falle bereits zwei Jahre nach seiner Geburt, der ältere Bruder Johann Ludwig geht mit dem Vater, er bleibt bei der psychisch labilen Mutter und deren Familie zurück. Kein Wunder, dass Biographen uns heute erklären wollen, dass unser E. T. W. nie eine wirkliche Bindung zu seinen Eltern aufbauen konnte.

Immerhin verfolgte der Heranwachsende Hoffmann die Juristenlaufbahn. Ganz in der Tradition des Vaters. Seine Noten waren durchgehend gut und so hätte einer typischen, preußischen Beamtenlaufbahn nichts im Wege gestanden. Nichts, außer dem Usurpator Napoleon Bonaparte. Und vielleicht dem jugendlichen Übermut Hoffmanns. Wie dies ? Nun, dazu hole ich ein wenig aus.

Hoffmann war zu Beginn des 19. Jahrhunderts als staatlicher Justizbeamter in die „neupreußischen“ Gebiete versetzt worden. Vermutlich, weil da sonst niemand hinwollte und die jungen Beamten keine Wahl hatten. Wer weiß. Es handelt sich bei diesen Gebieten um die Teile Polens, die Preußen auf den diversen „Teilungen“ zugesprochen bekommen hatte. In Posen, erstmalig weit von der gluckenhaften Familie der Mutter entfernt, legte Hoffmann so richtig los. Er ging seinen musikalischen Neigungen nach, soff wie ein Loch (eine Gewohnheit, die er leider bis zum Lebensende beibehielt) und lernte, obwohl noch verlobt, eine hübsche Polin aus einfachen Verhältnissen kennen und lieben. Marianne Thekla Michaelina Rorer-Trczinska, seine spätere Ehefrau. Ein typisches Bohemien-Leben ? Vielleicht.

1802 passierte etwas in Hoffmanns Leben. Zunächst einmal wird seine Beteiligung an einem Karnevalsstreich in der preußischen Gemeinde Posens angenommen. Auf einem Ball verteilen maskierte Schlingel bissige Karikaturen bekannter Beamter und Honoratioren. Heute wäre das nicht einmal mehr ein erwähnenswerter Studentenulk. Aber wir sind ja im Jahre 1802. Humor gehörte wohl zu den Dingen, auf die preußische Provinzialbeamte gerne verzichteten und so bekam Hoffmann einen schlechten Ruf, der ihm noch ganz konkret schaden würde. Andererseits löste Hoffmann im selben Jahr seine Verlobung auf, um die schon erwähnte „Mischa“ heiraten zu können.

Als Folge des von ihm mitgestalteten Narrenstreichs in Posen wurde Hoffmann zunächst nach einem Kaff namens „Plock“ versetzt. Erst nach zwei Jahren gelang es ihm dann, nach Warschau versetzt zu werden. „Warschau“ ???? Ja, für wenige Jahre (1795 – 1806) gehörte Zentralpolen zu Preußen. Eine historische Petitesse, die aber in unserem östlichen Nachbarland unvergessen ist. Hier im heutigen Polen pflegte Hoffmann seine kompositorischen und sonstigen, musikalischen Neigungen umso intensiver. Wahrscheinlich begann er zu dieser Zeit davon zu träumen, selbst ein Kapellmeister zu werden. Seine Pflichten als Justizbeamter litten immerhin noch nicht darunter. Die Zeugnisse seiner Vorgesetzten waren in diesem Zeitraum immer sehr positiv.

1806 nun, im Verlauf der Niederlage Preußens gegen das Frankreich Napoleons wurde Polen wieder hergestellt. Die preußischen Beamten bekamen von der Besatzungsmacht die Wahl: einen Eid auf den „Empereur“ zu leisten und zunächst weiterzuarbeiten, oder ihre Zelte abzubrechen und zu verschwinden. Es ehrt Hoffmann, m. E. n. , dass er es vorzog, keinen Eid auf einen ausländischen Diktator zu leisten und er stattdessen stillschweigend aus Warschau verschwand. Allerdings war durch diese welthistorische Zäsur auch seine Beamtenlaufbahn zunächst beendet. Ihm machte das nichts aus, denn er wollte ohnehin lieber ein Künstler sein.

Um es kurz zu machen: seine Bemühungen, als Kapellmeister den Lebensunterhalt zu verdienen, scheiterten aber krachend. Zwar arbeitete er ab September 1808 als Musikdirektor in Bamberg, aber man wollte ihn dort nicht wirklich haben. Eine Art „passiver Widerstand“ des dortigen Orchesters und der Sänger, Intrigen gegen den „Außenseiter“ und Hoffmanns Unfähigkeit, diese zu überwinden, führten schließlich dazu, dass er nach zwei Monaten wieder gefeuert wurde. Immerhin entwickelte er hier auch seine literarischen Talente und erfand sein künstlerisches alter ego, den „Kapellmeister Johannes Kreisler“.

Ab jetzt will ich nicht auf den diversen Publikationen, Lebensmomenten und sonstigen Ereignissen aus Hoffmanns Leben im Detail herumreiten. In jedem Falle suchte er nach der Befreiung Preußens von der französischen Besatzung wieder den Staatsdienst. Wurde 1816 auch zum Kammergerichtsrat ernannt. Zuvor hatte er einige, bemerkenswerte, literarische Werke veröffentlicht. Darunter das Märchen „der goldne Topf“. Im selben Jahr 1816 wurde auch seine Oper „Undine“ in Berlin uraufgeführt. Besser ging es Hoffmann niemals mehr. In dieser Zeit unterhielt er u. a. rege Kontakte zur „romantischen Schriftstellerszene“ Deutschlands. Ob man ihn selbst jedoch zu den „Romantikern“ wirklich zurechnen kann, wird bis heute lebhaft diskutiert.

Der schriftstellernde, preußische Kammergerichtsrat Hoffmann musste aber wohl über kurz oder lang mit dem repressiven, restaurativen Klima der „Metternich-Zeit“, auch Post-Napoleonische Ära genannt, aneinander geraten. Die ausufernde „Zensur“ und Hatz auf „Demagogen“ stießen dem Feingeist Hoffmann übel auf. Zwar war er alles andere als ein Sympathisant der „Studentenbünde“ und „Turnvereine“, aber als Mitglied einer staatlichen Kommission zur Prüfung der Gefährlichkeit dieser Gruppen soll er immer Fairness gewahrt haben und um sachliche Gutachten nie verlegen gewesen sein. Dem Druck, überall „gefährliche Umtriebe“ sehen zu „müssen“ und dementsprechend das Recht im „Feuer und Flamme“-Stil beugen zu sollen, gab er nicht nach. Auch das ehrt ihn, m. E. n.
Über die Arbeit dieser Kommission schreibt etwa „wikipedia“:

Die Kommission stellte in ihren Gutachten immer wieder klar, dass eine Gesinnung allein keine strafbare Handlung sei.

Wenn ich da in die Gegenwart schaue…

In seinem Werk „Meister Floh“ wird Hoffmann schließlich einen besonders eifrigen Demagogen-Verfolger, den Ministerialdirektor Karl Albert von Kamptz, bloßstellen, der immer wieder ein härteres Vorgehen gegen „staatsgefährdende Umtriebe“ befürwortete. Diese launigen Betrachtungen bringen Hoffmann aber wieder in Schwierigkeiten. Denn der durch sein fröhliches Lotterleben (seine Trinkgelage mit dem Schauspieler Ludwig de Vrient bei „Lutter und Wegner“ in Berlin waren berüchtigt und wurden später in Offenbachs Oper der „Hoffmanns Erzählungen“ erwähnt) gesundheitlich langsam aber sicher angeschlagene Staatsbeamte Hoffmann, musste sich wieder vor der Obrigkeit verantworten.

Seit etwa 1818 kränkelte Hoffmann immer wieder und ab Januar 1822 befielen Lähmungen seinen Körper. Die Rechtfertigungsschreiben für seinen „Meister Floh“ und seine letzten schriftstellerischen Werke kann er schon nicht mehr selbst verfassen, nur noch diktieren. Am 25. Juni 1822 verstarb E. T. A. (ab 1806 nennt er sich so) Hoffmann in seiner Berliner Wohnung unmittelbar am Berliner Gendarmenmarkt. Sein eingangs erwähntes Grab „vor dem Halleschen Tore“ ist seit 1952 eine Ehrengrabstätte der Stadt Berlin.

Was ist also das Vermächtnis Hoffmanns ? Schwer, das hier in wenige Worte zu fassen. Durch seine Werke zieht sich eine somnambule, oft leicht düstere Stimmung verbunden mit etwas absurden Elementen. Ihn als Vorgänger etwa eines Edgar Allan Poe zu bezeichnen, wäre m. E. n. nicht völlig von der Hand zu weisen. In jedem Falle war seine Heimat nicht allzu gnädig im Urteil. Die Tatsache, dass Hoffmann sich nicht so einfach in eine Schublade packen ließ, führte zu vielen, negativen Urteilen über sein Werk durch Zeitgenossen. In Frankreich hingegen wurden die Übersetzungen seiner Werke mit viel Wohlwollen und Interesse rezipiert. Propheten im eigenen Lande…

Quellen:

Text:

  • wikipedia,

Fotos: