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Persönlichkeiten: Leopold von Anhalt-Dessau – der Drillmeister

Der „alte Dessauer“ war Schulkindern bis hin zur Weimarer Republik ein Begriff. Er verkörperte viel von dem, was unsere Altvorderen einst für wertvoll und vorbildlich hielten. Wehrhaftigkeit, einen eigenständigen Charakter, Zielstrebigkeit etc. Kein Wunder, dass man ihm Denkmale errichtete. Und das nicht nur in Dessau selbst. Doch wurde auch Missbrauch mit seinem Vermächtnis getrieben. Wird eine historische Figur aber deshalb „böse“ oder weniger wert, weil sie posthum von verachtenswerten Charakteren wie den Nazis mit Beschlag belegt wurde ?

1676_leopold-2Der schottische Historiker und Schriftsteller Thomas Carlyle nennt Leopold, den Fürsten von Anhalt-Dessau, in seiner weit verbreiteten Friedrichs-Biographie „die gewaltigste Masse ungegliederter, menschlicher Lebenskraft“ seiner Zeit. Ich gestehe, dass mir nicht so 100 prozentig klar ist, was er uns damit sagen will, aber ich denke, ins moderne Deutsch übersetzt würde man sagen können: Leopold war ein „Urviech“. Es heißt, er wäre ein etwas mürrischer, wenig mitteilsamer Mann gewesen, der aber als Reichsfürst des „Heiligen Römischen Reiches“ auch über ausreichend Bildung verfügt habe, um sich z. Bsp. in passablem Französisch, der im wahrsten Sinne des Wortes „lingua franca“ seiner Zeit, zu verständigen (wenn er es denn wollte). Auch sei er ein „pfiffiger“, kreativer Kopf gewesen, nicht nur, was das Militärwesen anging. Nun, Sie kennen ja mittlerweile meine Beiträge, liebe Leser, jetzt kommen ein paar Fakten, 🙂 :

Leopold wird 1676 in Dessau geboren. Seine Eltern sind bestens mit diversen Fürstenhäusern Europas verwandt und bekannt. Die Fürsten von Dessau führen ihre Abstammung auf die Askanier zurück, die einstmals auch die Mark Brandenburg einnahmen und besiedeln ließen, aber in diesem Zweig bereits 1320 ausstarben. Von daher ist das Verhältnis der „Dessauer“ zu Brandenburg zumeist sehr freundschaftlich. Schon Leopolds Vater Johann Georg etwa trat in Brandenburgische Dienste, wurde dort sogar Generalfeldmarschall und war zeitweise Statthalter der Kurmark. SEIN Vater wiederum war über dessen Ehefrau bereits mit dem „Großen Kurfürsten“, Friedrich-Wilhelm von Brandenburg, verschwägert gewesen. Die Mutter Leopolds, Henriette – Catharina von Nassau – Oranien, war mit den Herrscherhäusern der Niederlande und Großbritanniens verwandt. Kurz gesagt: die „Dessauer“ waren wer im alten Reich. Hatten „connections“ zu wichtigen Familien.

dsci0247_compressedNach dem Tode des Vaters 1693 wird der junge Leopold, der übrigens nach seinem „Paten“, einem Habsburger-Kaiser benannt wurde, erst einmal auf „Kavalierstour“ geschickt. Seine Mutter, die die Regentschaft über Dessau übernommen hatte, will ihm so etwas mehr „Horizont“, etwas mehr Bildung verpassen, die seine frühkindliche, aufs Militärische gerichtete Erziehung wohl ermangeln ließ. Auch wollte Henriette-Catharina ihren Jungen von der Apothekerstochter Anna-Luise Föhse fernhalten, in die er sich praktisch noch im Kindesalter verliebt hatte. Nun, diese Absicht gelingt nicht, denn Anna-Luise wird, gegen den Rat der Mutter und sogar anderer Fürsten, in dem Jahr seine Frau, als er die alleinige Herrschaft in Dessau antritt, 1698. Mein Respekt gilt diesem Sturkopf, weil selbst noch im 20. Jahrhundert viele, adlige Liebschaften mit „Bürgerlichen“ verpönt waren und Eheschließungen verhindert wurden. Erst in den letzten Jahrzehnten ist es „tolerabel“ geworden unter den Fürstenhäusern, eben auch Bürgerliche zu heiraten. Prinz William in England, der König Felipe VI. in Spanien etc. Im 18. Jahrhundert war das aber eben noch „unerhört“ und die Halsstarrigkeit, mit der Leopold auf „seiner“ Anna-Luise beharrte, macht mir diese Kriegernatur wieder sympathisch, das gebe ich zu. Sind wir nicht alle ganz tief unten Romantiker, die einen „Sieg der Liebe“ beklatschen ? 🙂 Übrigens wird der Kaiser erst drei Jahre später, 1701, diese Ehe anerkennen, Anna-Luise in den Stand einer Reichsgräfin erheben und ihre Kinder als legitime Nachfolger Leopolds betrachten. Was gut ist, weil Leopolds ENKEL nämlich später das Gartenreich Wörlitz erbauen lassen wird, was ohne die Legitimierung seines Vaters nicht möglich gewesen wäre…(Sie wissen schon: eine andere Geschichte.).

Als Landesfürst führt Leopold diverse Reformen durch, sorgt dafür, dass seine Ländereien wieder produktiv werden und Dessau somit wirtschaftlich unabhängig wird. Auch das war im Spätbarock nicht unbedingt „normal“, wo doch Fürsten dieser Zeit gerne über ihre Verhältnisse lebten und das Geld, das sie eigentlich nicht hatten, verpulverten, als gäbe es kein Morgen. Auch hier: Leopold von Anhalt-Dessau vorbildlich.

Nun, Leopold war sich wie sein Vater nicht zu schade dafür, in brandenburgisch-preußischen Militärdienst zu treten. In diesem nahm er als Lenker des Kontingents Preußens in der Reichsarmee am Spanischen Erbfolgekrieg teil. Hier lernt er das Militärwesen und seine Unzulänglichkeiten aus erster Hand kennen. Zu diesem Zeitpunkt sitzt noch der Großvater des „alten Fritzen“, Friedrich, König „in“ Preußen auf dem Thron in Berlin. Als Leopold „im Felde“ steht, wird z. Bsp. das Stadtschloss in Berlin erbaut. Sie kennen es heute unter dem Namen „Humboldtforum“, auch das eine andere Geschichte.
Als 1712 der „Soldatenkönig“ Friedrich – Wilhelm, den Thron Preußens besteigt, ist Leopold sofort einer seiner engsten Berater. Bereits zuvor war er zum preußischen Generalfeldmarschall ernannt worden und war so de facto der ranghöchste Militär im Lande. Er blieb dies nominell bis zu seinem Tode 1747.

dessauer_compressedJetzt alle Schlachten aufzuführen, an denen Leopold beteiligt war würde ebenso den Rahmen dieses Beitrages sprengen, wie eine weitere Erwähnung der Tatsache, dass auch seine Söhne Dietrich, Eugen und Moritz (der jüngste Sohn, siebtes Kind mit Ehefrau Anna-Luise), in preußische Dienste traten. Moritz überlebte den „Siebenjährigen Krieg“, hochdekoriert und angesehen, nicht. Auch Leopolds Sohn Eugen war zwischenzeitlich Offizier bei den Preußen. Dessen Entlassung durch den damals noch „jungen Fritzen“, 1743 bereits, wird das Verhältnis Leopolds zum Thron in Berlin (und Potsdam) und dem Manne, der auf ihm sitzt, merklich abkühlen lassen.

Am Bekanntesten wurde Leopold von Anhalt-Dessau wohl vor allem für die Reformen, die er dem preußischen Heer, speziell der Infanterie angedeihen ließ. So sind der „Gleichschritt“ beim „Avancement“ (dem Vorrücken) und der eiserne Ladestock auf seine Ideen zurückzuführen, die er zuerst in „seinen“ Regimentern ausprobieren und bei Erfolg dann auf die gesamte preußische Armee ausdehnen ließ. Der Gleichschritt machte im Optimalfall das Manövrieren mit Infanterie-Einheiten leichter. Ein eiserner Ladestock brach beim „Vorderladen“ der Gewehre seiner Zeit seltener ab, was den einzelnen Infanteristen dann eben nicht hilflos dastehen ließ. Der „preußische Drill“, der letztlich ein Anhaltinischer Drill war, den Leopold durchführen ließ, ermöglichte erhöhte Schussfrequenzen von Infanterie-Einheiten durch automatisierte Bewegungsabläufe. Ab etwa 1718 waren seine Neuerungen zum Standard bei der preußischen Infanterie geworden. Ein weiteres, interessantes Detail seiner Militärkarriere ist die Tatsache, dass er von 1734 – 1737 einer der Oberkommandierenden der Reichstruppen Deutschlands war, im Range eines „Reichsgeneralfeldmarschalls“. Nach 1740 wird er aber gemeinsam mit dem Sohn seines Arbeitgebers in direkte Opposition zum „Reich“ geraten. 1745 wird er dennoch wieder  alleiniger Oberkommandeur der Reichstruppen.

Was ist sonst noch interessant an Leopold ? Er war Nichtraucher. Offensichtlich unter Fürsten und Offizieren seiner Zeit eine erwähnenswerte Ausnahme. Schon wieder ein „Charakterzug“, der uns sagt, dass er sich nicht Konventionen anpasste, wo er es nicht wollte. Im berüchtigten „Tabakskollegium“ des Soldatenkönigs, an dem er nachweislich öfters teilnahm, muss er also aufgefallen sein.

alter_dessauerUm dieses kurze Porträt abzurunden sei angemerkt, dass der „alte Dessauer“ unter Friedrich II. in den beiden ersten, schlesischen Kriegen als Kommandeur diente. Ihr persönliches Verhältnis war jedoch nicht mit dem Leopolds zum „Soldatenkönig“ vergleichbar. Dessen Sohn war dieser „Zuchtmeister“, den er hauptsächlich mit der Regentschaft des cholerischen und gewalttätigen Vaters verband, nicht so recht geheuer. Dies beweist z. Bsp. die bekannte Tatsache, dass Friedrich, der zu diesem Zeitpunkt noch der „junge Fritz“ ist, bei Eintreffen der Nachricht, dass es in Österreich Nachfolgeprobleme im Haus Habsburg gäbe, seinen Außenminister Podewils und den General Graf von Schwerin zu sich nach Rheinsberg ans Krankenbett rufen lässt. Der vermutlich ranghöchste und vor allem älteste Feldmarschall Preußens spielt in seinen Überlegungen keine Rolle. Die Verstimmung Leopolds über die Entlassung seines Sohnes Eugen aus preußischem Dienst 1743 habe ich ja schon erwähnt. (Sein Sohn Dietrich dient noch bis 1751 bei den Preußen, wo er erst aufgrund gesundheitlicher Probleme seinen Abschied einreicht. Sein jüngster Sohn Moritz dient sogar noch bis zu seinem Tode 1760 dem „alten Fritzen“.)

Nach dem Ende des zweiten, Schlesischen Krieges 1745 zog sich Leopold deshalb nach Dessau zurück. Friedrich hatte mit Jakob von Keith, dem schon erwähnten Grafen von Schwerin und anderen mittlerweile „seine“ eigenen, bevorzugten Generäle gefunden. Zuvor aber kommt es noch zu dem kolportierten, knappen Gebet Leopolds vor der im zweiten, Schlesischen Krieg entscheidenden Schlacht bei Kesselsdorf:

Lieber Gott, stehe mir heute gnädig bei! Oder willst Du nicht, so hilf wenigstens den Schurken, den Feinden nicht, sondern siehe zu, wie es kommt!

Leopold von Anhalt-Dessau stirbt am 07. April 1747 und wird in der Dessauer Marienkirche, vor der heute (habs vor einigen Jahren selbst gesehen) noch eine Statue an ihn erinnert, beigesetzt. Im Verlauf eines Bombenangriffs am 07. März 1945 und bei folgenden Plünderungen während des unmittelbaren Kriegsendes wurde sein Prunksarkophag zerstört.

P.S.: Ja, liebe Leser, Sie haben es mir geschrieben, ich habe es spät, aber dennoch bemerkt: dies ist der „Nachzügler“ meiner Beiträge über die Statuen vom „Zietenplatz“ in Berlin. Die anderen fünf Standbilder haben bereits vor Jahren ihre Würdigung hier im Blog erhalten. Nun schließe ich diese Reihe also mit dem „alten Dessauer“ ab. Ich hoffe, Sie hatten viel Freude beim Lesen dieser Artikel ! 🙂

Meine Serie der „Statuen vom Zietenplatz und ihre zwei Nachbarn“:

Bildmaterial:

Quellen:

  • Thomas Carlyle, „Friedrich der Große“, Nachdruck bei „area Verlag GmbH“, Erftstadt, 2004
  • Eberhard Cyran, „das Schloss an der Spree“, arani-Verlag, Berlin, 6. Auflage, 1995
  • wikipedia